»Music videos died before we had the chance to do them«, sagt Will Butler, der mit seinem Bruder Win und Régine Chassagne Arcade Fire in der kanadischen Botschaft in Berlin vertritt, und gibt damit die Losung für das nicht ganz neue visuelle Interesse der Band aus. Später am Abend läuft ihr co-produzierter und von Win und Will Butler mitgeschriebener Kurzfilm Scenes from the suburbs auf der Berlinale. Der Film entstand während der letzten Wochen der Albumproduktion. Regisseur und Freund Spike Jonze, ein alter Hase im Videogeschäft, war immer wieder mit im Studio, im Proberaum, kennt die Prozesse hinter dem Erfolgsalbum The Suburbs. Arcade Fire, deren Musik stets auch von filmischen Bildern inspiriert scheint, was die Butlers in Berlin bestätigen, wollten den Spieß einfach einmal rumdrehen: die sechzehn Stücke sollten Scenes from the Suburbs inspirieren. Nach dem durch Google finanzierten interaktiven Musikvideo zu We Used to Wait, begeben sich Arcade Fire also erneut in die Schlacht zur Rettung des Musikvideos.
Aufbruch und Befreiung
Und so inszeniert Spike Jonze Laiendarsteller im Teenageralter in einer amerikanischen Vorstadt aus der Perspektive einer der Protagonisten. Zwar verschwinden die Figuren immer wieder hinter den stilisierten Bildern, doch gelingt es Jonze über weite Strecken eine interessante Ambivalenz zwischen jugendlichem Aufbruch und Befreiung und bedrohlicher Enge und Düsternis zu erzählen. Im Laufe des Films wird die Vorstadt so zu einer Kriegszone, in der zunächst nur Soldaten Straßen abriegeln, irgendwann aber scheinbar grundlose Durchsuchungen, Belästigungen bis hin zu öffentlichen Hinrichtungen stattfinden – ein kafkaeskes Erwachen. Das Problem des Films jedoch sind die Songs von Arcade Fire, die das Werk von Jonze durchgehend überschatten und merkwürdig deplatziert wirken – Scenes from the Suburbs degeneriert zum Promo-Video und wird dem interessanten Skript nicht gerecht. Der Film versucht zur Stimmung des Albums eigene Bilder zu finden, was ihm gelingt, so dass die Musik dem nichts mehr hinzuzufügen hat. Vielleicht zeigt sich hier etwas Prinzipielles über die Rolle von Musik im Film. Gelingt es ihr eine eigene Ebene zu eröffnen, eine Figur auf andere Weise zu erzählen, parallel zum visuellen Geschehen, so ist sie unverzichtbar; ist sie ausschließlich illustrativ, so tritt sie bestenfalls in den Hintergrund oder aber – wenn auf sie permanent verwiesen wird – wirkt überflüssig und störend. Arcade Fire hätten mit dem Verzicht auf ihre Musik dem Film einen Gefallen getan und auch dem vermeintlich toten Genre Musikvideo ganz neue Aussichten verschafft.