Anna Butterss und der Bass, eine Beziehung die Regeln braucht

04.10.2024
Foto:© International Anthem
Anna Butterss hat für Phoebe Bridgers aufgenommen, den Bass zu boygenius geschleppt und für Grammy-nominierte Americana-Gruppen wie 400 Unit oder bei Andrew Bird gezupft. Jetzt erscheint das zweite Soloalbum bei International Anthem. Wir haben mit Butterss gesprochen.

Anna Butterss spielt den mächtigen Bass in allen Lagen und schafft trotzdem den Spagat: Popmusik mit Phoebe Bridgers, Cowboy-Songs für die Late Night, Synthesizers mit Jazz – manchmal elektrisch, meistens auf einem hölzernen Trumm, das man sonst nur in Symphonieorchestern begutachten kann. Jedenfalls aber: Bei Butterss ist bassen der Balanceakt zwischen die Miete zahlenden Bandausflügen und begleitenden Solosachen.

Mit »Mighty Vertebrate« erscheint das zweite Album von Anna Butterss auf International Anthem. Es ist eine Platte, die man mit Bauchschmerzen ins Jazzfach steckt, dann wieder rauszieht und an die Wand tackert, weil: Auf dem Cover trägt ein Pferd lustige Handschuhe, ein Totenkopf grinst, die Blume explodiert. Was eine Beschreibung der Musik nicht unnötig macht, aber die ganze Strecke hat man nach Cover-Beschreibung nicht mehr zu gehen.

Dabei darf man wissen: Das Album folgt einer Struktur, weil dahinter eine strukturierte Person steckt. »War ich schon immer«, sagt Butterss im Gespräch. »Ich kann nie nur rumtun. Dafür bin ich zu selbstkritisch. Also schränke ich mich ein und setze mir Regeln. Zum Beispiel, dass ich einen Song mit einer Drum Machine beginne oder nach einer Stunde alles liegenlasse.«

Das andere Ende der Welt ist eine Frage der Perspektive

Butterss [they/them], Anfang 30, raspelkurze Haare und in Doc Martens unterwegs, braucht die Vorgabe. Sonst werde es im Kopf zu laut, sonst drängelt sich der Perfektionsdrang nach vorne. »Meine Eltern haben mir zwar nie etwas aufgezwungen, die Regel war aber: wenn schon ein Instrument, dann richtig. So habe ich gelernt, in meine Schwächen hineinzuzoomen. Und verstanden, wie ich besser werden kann.«

Anna Butterss hat in den letzten Jahren für Phoebe Bridgers aufgenommen, den Bass zu Boygenius geschleppt und für Grammy-nominierte Americana-Gruppen wie 400 Unit oder auch bei Andrew Bird gezupft. Außerdem hat sich Butterss in Los Angeles an den richtigen Orten gezupft: Jazzgitarrist Jeff Parker oder Modular-Synth-Mann Jeremiah Chiu sind fixe Freunde in »unserer kleinen Nische«, wie Butterss die experimentellen Ecken von Los Angeles nennt. 

»Sobald ich mein Interesse für eine Sache entdecke, bin ich wie besessen – dann ziehe ich das durch«.

Anna Butterss

Aufgewachsen ist Anna Butterss in Adelaide, Australien: Flöte mit sieben, Singen in der Schule, dann Kontra am Bass. Und bald der Wunsch, sich 17 Stunden in ein Flugzeug zu setzen, um am anderen Ende der Welt auszusteigen. Inzwischen lebt Butterss seit zwölf Jahren in Kalifornien.

Zuletzt habe Butterss Spanisch gelernt, übrigens mit derselben Konsequenz wie in der Musik, denn: »Sobald ich mein Interesse für eine Sache entdecke, bin ich wie besessen – dann ziehe ich das durch«.

Anna Butters © International Anthem

Platonisch durchschütteln lassen

Wie besessen – oder enthusiastisch, denn Butterss fügt an: »Und ich liebe meinen Enthusiasmus. Wenn ich mich für etwas begeistere, bin ich all-in.« Deshalb sei »Mighty Vertebrate« die Bestätigung zum Solo-Song-Schreiben; eine Erkenntnis, dass es wirklich klappt, wenn man sich eigene Bedingungen setzt. Etwas, mit dem sich Butterss gleichermaßen zulässt und abmüht. 

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Die Spannung hält Butterss am liebsten am Bass, noch eher: mit dem Kontrabass aus. Ein Koloss von einem Instrument, in Butterss’ Fall aus den 1930er Jahren und Deutschland. »Er hat schon ein ganzes Leben hinter sich. In ihm steckt eine Geschichte, die über mich hinausgeht. Das hat etwas Tiefgründiges, das mich demütig macht«, so Butterss.

Natürlich dürfe man das nicht mit einer menschlichen Beziehung vergleichen, dennoch: Der Kontrabass sei ein spezieller Begleiter. Man umarmt ihn, er vibriert durch den ganzen Körper, ist ein lebendiges Instrument, so Butterss. »Immer wenn ich den Bass in der Hand halte, bin ich am entspanntesten. Ich muss dann nichts mehr in Worte fassen. Es gibt nur mich und ihn. Wir kennen uns. Wir schätzen uns. Und ja, wir verstehen uns.«