Aesop Rock, neben El-P der erfolgreichste Künstler beim New Yorker Label Definitive Jux, kommt mit seinem fünften Album. Pünktlich zehn Jahre nach seinem Debüt Music Für Earthworms. Seit dem hat sich viel getan. Bekannt wurde er durch seinen ungewöhnlichen Rapstil und als Erzähler von Alltags-Geschichten aus Long Island und New York City, was 2003 mit Bazooka Tooth einen Höhepunkt erreichte. Die Verarbeitung seiner Erlebnisse des 11. September 2001 klang vielen dann doch zu hart. Doch eben auch jene sollten spätestens jetzt wieder in die Aesop Rock-Diskografie einsteigen. Denn Ian ist inzwischen zu seiner Frau nach San Francisco gezogen, wo sie sich in relativer Ruhe miteinander und ihrer Musik beschäftigen. Diese entspannten Umstände, machen sich auch in Sound und Wort bemerkbar. Man kann hören, dass es gut so ist. Er ist schon crazy und schlaflos genug. Offensichtlich braucht er New York nicht um druckvollen Sound zu machen. Denn das San Francisco-Album ist ganz wunderbar geworden.
Das Album klingt sehr anders, zugänglicher und melodischer, weniger kompliziert und aggressiv. Welche Veränderungen gab es in deinem Leben in den letzten Jahren, dass es so einen Einfluss auf deine Musik hatte?
Aesop Rock: Ich bin nach San Francisco zu meiner Frau gezogen. In NYC kenne ich viele Leute und es gibt viel Ablenkung für mich. Die Stadt ist sehr hektisch, was sich auch in meiner Musik widergespiegelt hat. Ich genieße es jetzt in einer Stadt zu sein, die ruhiger ist, wo mich wenige kennen. Dadurch bin auch ich ruhiger und kann mich voll auf die Musik konzentrieren.
Bist du dabei deine Schlafprobleme losgeworden?
Aesop Rock: Nein, das klappt wohl niemals! Nach wie vor fällt es mir schwer vor 6 oder 7 Uhr morgens einzuschlafen. Die Schlafprobleme sind geblieben, die Schlaftabletten auch.
»Die letzten Jahre waren eine sehr reflektive Zeit: Ich wurde 30, habe geheiratet und New York verlassen. Irgendwann wirst du wirst für deine Handlungen in Verantwortung genommen, von dir selbst oder anderen.«
Aesop Rock
Was ich sehr an der neuen Platte schätze, sind die vielen Cuts, die auf fast allen Tracks präsent sind. Wie kommt es, dass du einem DJ diesmal soviel Raum gegeben hast? Waren dir dabei die Scratches wichtig oder dass DJ Big Wiz dabei ist?
Aesop Rock: Beides. Big Wiz war für die letzten drei Jahre mein Tour-DJ. Ich und El-P waren 2003 auf Tour, als uns bei einem Konzert ein DJ fehlte und ein Freund stellte ihn uns vor. Ursprünglich kommt er aus Houston, wo er einer der ersten DJs war. Er ist seit den 1980er Jahren dabei und lebt seit dreizehn Jahren in New York. Wir trafen uns quasi blind, eigentlich nur für eine Show, doch danach wollte ich sofort mehr mit ihm machen und er mochte unsere Musik auch. So wurden wir ein Team. Er hat diese Oldschool-Mentalität und weiß trotzdem wie man experimentiert und gleichzeitig die Erdung behält. Während meiner ganzen Zeit in der ich Musik mache, habe ich ständig die DJs gewechselt. Ich hatte niemals einen eigenen konstanten DJ. Obwohl ich scratching immer liebte, war es leider bei der Album-Produktion immer ein Last-Minute-Ding. Aber diesmal hatte ich mir fest vorgenommen, das zu ändern und ich wusste, dass Big Wiz dabei sein musste. Wir haben ihn früh genug her geholt und er hatte die Zeit und den Raum, den er brauchte.
Kannst du mir den Album Titel und Track None Shall Pass erklären?
Aesop Rock: Die letzten Jahre waren eine sehr reflektive Zeit: Ich wurde 30, habe geheiratet und New York verlassen. Das Gefühl kam so über mich, dass ich jetzt nicht mehr jung bin und nun nichts mehr auf Jugend und Unerfahrenheit oder andere Menschen und Ereignisse schieben kann. Ich versuche das auf dem Track auszudrücken: Jeder erreicht einmal den Zeitpunkt an dem er das realisiert: nur man selbst ist für seine Fehler verantwortlich und man muss aufhören, es auf andere abzuwälzen. Dieser Moment kommt für jeden. Du wirst für deine Handlungen in Verantwortung genommen, von dir selbst oder anderen.
Ist Verantwortung für dich momentan ein wichtiges Thema? Und inwiefern bist du verantwortungsbewusster geworden?
Aesop Rock: Es schleicht sich in dein Leben und du musst realisieren, dass jeder eine direkte Reflektion seiner Handlungen ist. Es dauert eine Weile bis man merkt, wo man sich wirklich befindet. Und wenn es soweit ist, muss man sich damit auseinander setzten. Mein Schreiben ist heute verantwortungsbewusster, ich versuche nicht soviel über mich selbst zu sprechen, mich nicht mehr zum Mittelpunkt zu machen. HipHop beinhaltet auch die Prahlerei: Wer bist du? Wie cool bist du?, Wie hart? Usw. Das kommt so Ego-Prediger-mäßig. Ich will jetzt einen anderen Ansatz verfolgen und meine Texte bewusster vermitteln. Ich möchte innovativer sein, mehr Geschichten erzählen, anstatt über mein Leben zu sprechen. Mein Leben ist langsamer geworden und dadurch hat sich meine Musik verändert, sie ist fokussierter. Ich konzentriere mich auf die wichtigen Dinge.
Du scheinst dich deinem, vor drei Jahren formulierten, Ziel zu nähern. Da hast du von Frau, Kindern, Hund und Haus auf dem Land gesprochen.
Aesop Rock: Ich mag die Idee eines gesetzteren, ruhigeren Lebens, ich freu mich darauf und habe die notwendigen Räder in Bewegung gesetzt. Aber ich bin immer noch in der Stadt und will raus. Ich weiß nur noch nicht wie ich diesen Traum am besten anpacken soll. Ich möchte auch immer noch Kinder, aber nicht allzu bald. In dieser Abteilung fühle ich mich immer noch verloren.
Letztes Mal sagtest du, Bazooka Tooth wäre dein bestes Album. Was denkst du über das Album in der Retrospektive?
Aesop Rock: Ich mag es immer noch. Jede Platte hat einen sehr speziellen Vibe und sie repräsentiert eine bestimmte Zeit in einem Leben. Bazooka Tooth steht für meine Zeit in New York nach dem 11.September. Deshalb klingt es so wie es klingt. Für mich war es sehr wichtig diese Platte zu machen. Aber alle Projekte haben für mich etwas Heiliges. Trotzdem kann ich sie nicht mehr hören. Es macht mich krank, wenn ich meine älteren Sachen höre. Deshalb ist das Neuste immer mein Liebstes. Und ich könnte mit None Shall Pass und den darin involvierten Leuten nicht glücklicher sein. Ich bin sehr stolz darauf.
Ist der 11. September verblichen oder noch in deinem Kopf?
Aesop Rock: Es fühlt sich an, als wäre es gestern gewesen. Ich kann mich an jedes Detail erinnern. Aber ich spreche nicht mehr darüber. Jetzt erscheinen all diese Filme und Dokumentationen, doch aus irgendeinem Grund kann ich sie mir nicht anschauen. Es war einfach zu viel und zu heftig.
Vorfälle wie der 11.September gefährden doch deine Zukunftspläne oder fühlst du dich jetzt sicher?
Aesop Rock: Nein, ich fühle mich nicht sicher. Mein Leben ist ruhiger und überschaubarer geworden, was mir in meinem Haushalt eine gewisse Sicherheit vermittelt. Aber die ist nur oberflächlich. Denn die Regierung meines Landes ist weiterhin dabei alles in die Scheiße zu reiten. Ich fühle mich nur sicher, weil ich mich in meine eigene kleine Welt zurückgezogen habe. Ich versuche meine Aufmerksamkeit nicht auf dramatische oder negative Ereignisse zu richten. Reiner Selbstschutz.
Wenn die einfachen Dinge im Leben so toll sind, warum deine beharrliche Kritik?
Aesop Rock: Davon gibt es diesmal weniger als jemals zuvor. Es sind eher Schnappschüsse aus unterschiedlichen Zeiten und Situationen, ohne sie zu bewerten. Und nur weil ich ruhiger lebe, heißt das nicht, dass ich keine Meinung habe. Ich glaube, dass ich die schwierigen und dramatischen Dinge des Lebens nur gut ausdrücken kann, wenn ich in einer friedlichen Umgebung bin.
Was macht deine Produzenten-Tätigkeit? Warum hast du immer noch andere Produzenten auf deinen Alben. Willst du auch mal ein reines Produzentenalbum machen?
Aesop Rock: Auf dem neuen Album habe ich fünf Tracks produziert. Sonst meistens so die Hälfte der Platten. Blockhead und ich teilen uns das meistens. Diesmal hat auch noch Rob Sonic produziert. Kürzlich habe ich eine 45-Minuten-Instrumental-Produktion für Nike USA gemacht. Ich arbeite auch immer noch jeden Tag an Beats. Aber ein Instrumental-Album ist generell nicht so meine Sache, da ich über jeden produzierten Beat sofort Rappen will.
Warum all die DefJux-Features, wie El-P, Rob Sonic oder Cage? War es einfach nahe liegend oder eine bewusste Auswahl?
Aesop Rock: Für mich ist es eine Ehre diese Menschen überhaupt nur zu kennen. Darüber hinaus beeindrucken mich ihre Musik und ihre menschliche Kompetenz. Sie sind deshalb auch meine Freunde. Ich kollaboriere nur ungern mit Musikern, die ich nicht persönlich kenne. Rob Sonics neues Album erscheint im Oktober und es ist phänomenal, wir werden zusammen auf Tour gehen. Er ist der meist unterschätzte Künstler aus unseren Reihen.
Erzähl mir was zu dem Track Gun For The Whole Family mit El-P…
Aesop Rock: Es geht darum wie unterhaltsam Gewalt ist: in Filmen, in den Nachrichten, in unseren Familien. Es scheint unglaublich anziehend auf die Menschen zu wirken, das ist erstaunlich. Es ist ein sarkastischer Ansatz das Thema zu bearbeiten: Wir sitzen auf dem Bürgersteig und essen Popcorn, während wir den Krieg auf den Straßen kommentieren. Als wären wir im Kino. Man muss es übertreiben, damit über Bord gehen – anders geht es kaum noch.
Wer ist dein bester Freund oder Freundin – warum?
Aesop Rock: Blockhead ist mein längster und irgendwie auch engster Freund. Wir kannten uns schon bevor unsere Musikgeschichte begann. Er bringt mich zum Lachen und ist einer der wenigen, bei dem man nicht ständig darauf achten muss, was man wie sagt. Deshalb ist meine Frau auch meine beste Freundin, denn normalerweise muss man immer darauf achten wie man rüber kommt, was man sagt – alles kann gegen dich verwendet werden. Ich genieße es nicht ständig beurteilt zu werden. Ich kann scheiße reden, Fehler machen: das ändert nichts an den Gefühlen, die sie für mich hat. Das ist bedingungslose und vorurteilslose Liebe. Ich lerne gerade, wie man das lebt, wie man wirklich Spaß hat. Unsere Rollen sind auch ziemlich gleichberechtigt und ausgewogen – wir machen beide Musik, deshalb sind wir wohl immer noch glücklich zusammen.
»Die wahre Rebellion ist der Frieden«, sagt ein Stencil in Buenos Aires – kannst du dich da wieder finden?
Aesop Rock: Viele glauben, dass man Drama und Sturm braucht um gute Kunst zu machen. Aber ich habe meine besten Sachen hier in meiner vergleichsweise ruhigen San-Francisco-Welt gemacht. Das ist bisher wohl die friedlichste und auch kreativste Zeit meines Lebens. Das zeigt, dass da was dran seine könnte.
»Gleichzeitig misstraue ich der Meinung der meisten Menschen. Deshalb ziehe ich mich zurück und verschließe mich, um diese Situationen zu vermeiden. Aber es ist unvermeidbar!«
Aesop Rock
Wie wichtig ist dir die Meinung oder Kritik von anderen?
Aesop Rock: Ich versuche es an mir abprallen zu lassen, aber auf der anderen Seite ist es ganz natürlich, dass man als anständiger, korrekter oder zumindest netter Mensch wahrgenommen werden will und nicht negativ verurteilt werden möchte. Gleichzeitig misstraue ich aber der Meinung der meisten Menschen. Deshalb ziehe ich mich zurück und verschließe mich, um diese Situationen zu vermeiden. Aber es ist unvermeidbar! Egal was man tut, du wirst be- und verurteilt werden: wegen deiner Kleidung, deinem Job, deiner Musik, deiner vermeintlichen Persönlichkeit. Es ist bescheuert, aber so funktioniert unsere Welt.
Was hat es mit den Dark Heart News auf sich?
Aesop Rock: Rob Sonic und ich haben einmal rumgeflachst, dass wir eine Zeitung für alle Außenseiter machen müssen, daher kam die Idee. Wir verkaufen die Zeitung »Dark Heart News« – Informationen für die Dirty City Rats, die Underdogs, den Untergrund. Wenn du dich wie ein Freak auf diese Welt fühlst, dann haben wir die Worte und Informationen die du suchst und sonst nicht findest.
Wie können wir die Probleme in unserem Leben, unserer Welt lösen?
Aesop Rock: Der erste Schritt wäre mehr Güte – ein bisschen mehr Wärme und Freundlichkeit unserer Umwelt gegenüber. Fang bei dir selbst an: in deinem Zuhause, in deiner Musik, bei deiner Arbeit, in deinem Freundeskreis. Ein Funke mehr Achtsamkeit, Fürsorge und Interesse an allem wäre hilfreich.
Wofür steht No City?
Aesop Rock: Es geht hier konkret um die Notwendigkeit gütiger und führsorglicher zu werden. Daran mangelt es uns, dann wird die Stadt noch unerträglicher und unverständlicher. Wenn die Menschen die du liebst krank werden, sterben, leiden – das sind Probleme. Und noch größere Probleme werden kommen, wie sollen wir die bewältigen, wenn wir damit unsere Energie verschwenden?
Welcher Track wird die Single?
Aesop Rock: Es wird wohl zwei Videos und Singles geben: None Shall Pass und Coffee mit John Darnielle von den Mountain Goats. Coffee reiht sich an No City, denn nur weil wir gütiger und freundlicher sein sollten, heißt dass noch lange nicht, dass ich mit jedem abhängen will. Im Gegenteil, ich bin ein zurückgezogener Mensch und nicht gerne unter Leuten. Und ich möchte nicht gestört werden, wenn ich morgens meinen Kaffee trinke.