Zur 14. Ausgabe der Leisure System-Reihe im Berghain gab es erstmal eine kleine Enttäuschung: Headliner DJ Funk hatte in Chicago seinen Flieger verpasst und war deshalb am Freitagabend nicht zugegen, um dem Publikum einzuheizen, das mit Sicherheit in Massen wegen ihm gekommen wäre. Als Ersatz sprang Jimmy Edgar mit einem Booty Bass-Set ein, der ihn aber mit Sicherheit mehr als würdig vertreten haben wird. Der andere Headliner des Abends war jedoch brav erschienen und fing sogar fast pünktlich um zwanzig vor drei sein anderthalbstündiges Set an. Die Frage stand im Raum, was den Zuhörer erwarten durfte bei einem DJ-Set von Actress, dem Produzenten von Splazsh, einem der kryptischsten elektronischen Alben der letzten Zeit. Was man mit dem bloßen Auge jedoch erkennen konnte, war, dass Darren Cunningham ein reines Vinyl-Set mit seinen Schätzchen auflegen würde.
Ob dieses Set als Vorbote auf sein Anfang 2012 auf Honest Jon’s erscheinendes Album verstanden werden darf ist eher zweifelhaft. Zunächst begann er zwar erwartungsgemäß düster mit einer drei Minuten währenden Bleep-Ode. Wenn das den ganzen Abend so weitergehen sollte, dann wird das ja noch ein toller Abend, werden sicher viele ironischerweise gedacht haben. Doch schon bald stellte sich das ganze bloß als Intro heraus, denn im Anschluss schlug Actress voll in die House-Kerbe und überraschte damit sein Publikum. Mal wurde es etwas Disco-lastiger, dann wieder deeper – alles in allem meistens 4/4-lastig – zugunsten guter Spannungsbögen, die er damit vereinzelt zog. Allerdings stellte sich auch heraus, dass Actress als DJ bei weitem nicht so begabt ist wie Actress als Producer, den sich ja zuletzt Blur- und Gorillaz-Frontmann Damon Albarn zur Seite geholt hatte. Die Übergänge waren meist etwas plötzlich und nicht besonders fließend. Das hatte entsprechend auch zur Folge, dass die eben noch gezogenen Bögen jäh zerstört wurden. Auch beim Faden stieß er mit seinem brüchigen Stil auf teilweises Unverständnis – gewöhnungsbedürftig. Doch das Publikum war heiß und wollte den finster dreinblickenden Mann aus dem Süden Londons. Actress wurde angefeuert und man freute sich immer wieder über einzelne Details, die er in sein Set einwarf. Auch wenn man etwas gebraucht hat, um zu verstehen, worauf Darren J. Cunningham musikalisch hinauswollte, war man am Ende fast traurig, als er seinen letzten Song gespielt hatte.
Aigners Inventur – November & Dezember 2020
Kolumne, Liste