Acid Mothers Temple live am 6. Juni 2024 im Nürnberger Z-Bau

11.06.2024
Foto:© Björn Bischoff (HHV Mag)
Acid Mothers Temple gelten mehr als Mythos denn als Band. Was an der unfassbar hohen Zahl an Releases und an ihrem kaum greifbaren Sound liegt. Das japanische Kollektiv um Gitarrist Kawabata Makoto manifestierte sich am 06. Juni 2024 im Nürnberger Z-Bau. Ein vorhersehbar unvorhersehbarer Abend.

Normalerweise weiß das Publikum vorher mehr oder weniger, was es vom bevorstehenden Konzertbesuch erwarten kann: Setlisten kursieren im Internet, Live-Ausschnitte verbreiten sich und die meisten Bands berichten in den sozialen Medien von ihrem Konzertalltag. Alles Teil des Geschäfts heutzutage. Bei Acid Mothers Temple sieht es anders aus. Seit der Band-Gründung 1995 sind derart viele Releases mit derart unterschiedlichen Sounds erschienen, dass Berechenbarkeit unmöglich ist, und die toten Links auf der Website verstärken das Image eines schwer zu fassenden Kollektivs. (Wahrscheinlich lief der Auftritt in Nürnberg offiziell auch unter Acid Mothers Temple & The Melting Paraiso U.F.O., aber wer hat schon den Platz, so einen Namen auf einem Konzertticket zu drucken?) Vorweg: Es gibt kein besseres Gefühl als diese Ahnungslosigkeit vor einem Konzert.

Etwa achtzig Leute hatten sich im Roten Salon des Z-Baus eingefunden. Wortlos und pünktlich betraten Acid Mothers Temple die Bühne, neben Makoto standen noch vier weitere Musiker auf der Bühne.

Zuerst formte sich ein Stück aus Psychedelic, Noise und Kraut, vor allem die Gitarre von Makoto führte den Klang, während Satoshima Nani mit den Drums einen Groove reinprügelte. Jyonson Tsu an der anderen Gitarre sang dazu, was sich aber kaum hören ließ – alles verschwamm zu einer Welle an Sound.

Vom Speed Guru uptransportiert

Was anfangs wie Chaos schien, offenbarte nach und nach seine eigenen Regeln. Niemals verkam Noise zum Selbstzweck. Vielmehr brachte Makoto mit seiner Gitarre die verschiedenen Schichten des Sounds hervor und zeigte, weshalb im Line-Up neben seinem Namen Speed Guru vermerkt ist.

Mal verwandelte sich alles in einen übersteuerten Strudel, mal floss alles in ein paar Momente Blues Rock, vor allem Nani an den Drums und Sawano Shozo am Bass erzeugten für das letztgenannte Manöver die nötige Strömung.

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Je länger der Abend ging, umso mehr Menschen fanden sich in dem kleinen Konzertsaal ein. (Die Pünktlichkeit der Band ließ sich offenbar ebenso wenig vorhersagen.) Fast zwei Stunden spielte der Acid Mothers Temple. Am Ende ging alles in einem Sog aus Feedback unter, während Makoto seine Gitarre an die Lautsprecher drückte. Band und Publikum trieben danach in der Stille auseinander, bis Gemurmel und Hintergrundbeschallung den Raum füllten. Ein Ozean aus fantastischem Sound klang in den Ohren nach, während die Erkenntnis einsickerte, dass kein anderes Kollektiv so sehr dem eigenen Mythos gerecht wird wie Acid Mothers Temple.