Plattensammler sind meist zwischen Mitte Vierzig und Mitte Fünfzig, einsam und vor allem männlich Das ist nicht erst seit gestern so, schließlich erlebte Vinyl seinen Zenit in einer Zeit, in der das Frauenwahlrecht meist kaum älter als 50 Jahre war und die Gesellschaft jenseits von Herd, Küchentisch und Kreissaal wenig Platz für Frauen ließ – außer in aufreizenden Posen auf Plattencovern. Denn jede Kiste Platten im Trödelladen zeigt: Sich räkelnde Körper schmückten einmal absolut alles zwischen Top-Hit-Compilation, Free-Jazz und Easy Listening.
Wer einmal im Online-Journalismus um Klicks gekämpft hat, weiß auch, dass »Sex Sells« keine hohle Phrase ist, sondern empirische Realität. Mit etwas nackter Haut auf ein Teaser-Bild klickt sich der zugehörige Artikel mindestens doppelt so gut. Ähnlich müssen auch Labelmenschen und Marketingstrategen in den Fünfziger und Sechziger Jahren gedacht haben, als sie Sleazy Cover scheinbar willkürlich auf die seltsamsten Platten knallten. Mit der Zeit professionalisierte die Musikindustrie ihr Pimp-Game und wurde immer besser darin, einsamen Musikenthusiasten Sex präzise zu verkaufen – bis irgendwann Disco als perfektes Sex-Genre die Grenze zwischen laszivem Cover und erotischer Musik endgültig verwischte.
Nun erlebt Disco seit einigen Jahren eine Renaissance und die alten, aufreizenden Plattencover kehren zurück in die Läden. Klar: Egal, wie frisch manche Songs aus den Siebzigern und Achtzigern heute klingen, haftet den Platten natürlich der Muff eines antiquierten Frauenbildes an. Doch das Sleazy Cover ist eben auch eine Kunst, ein Indikator für dreckige Tanzmusik, bei der es exzessiv zugeht. Wir möchten diesen schmalen Grat zwischen Altherrengeilheit und kultiger Ästhetik würdigen, auf dem sich Sleazy Cover immer bewegen. Deshalb haben wir zehn einzigartige Viagraersatz-Plattencover aus den letzten oder kommenden Monaten zusammengestellt, hinter denen sich auch noch unfickbare Musik verbirgt.
Hier entlang zu den 12 Schallplatten mit Sleazy Cover Artwork bei hhv.de.
Wer hat gesagt, dass nur tanzbare Discoplatten anrüchige Cover können? Niemand? Gut, denn »Anita« von The First International Sex Opera Band wäre ein ideales Gegenargument. Hinter der dilettantischen Kritzelei (streif den Obi ab) eines horny Teenagers ohne Internetzugang versteckt sich ein komplett abgedrehter Mix aus Free-Jazz, treibendem, psychedelischem Rock und Gestöhne/ Gekreische/ Geschrei, das fließend zwischen sexuell erregt, Höllenqualen erleidend und Geistergeheul wechselt. Das ultra-rare Album hat eine rätselhafte Geschichte: Es erschien 1969 auf einem niederländischen Label für Schmuddelschlager, die Band selbst bestand wohl aus Studiomusikern, aber auch aus Mitgliedern der niederländischem Rocktruppe Sandy Coast. Beat, Dada und sexuelle Revolution auf 30 Minuten.
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