12 Disco Music Records – with Sleazy Cover Artwork

15.03.2018
Mit dem Disco-Revival kamen auch die alten, aufreizenden Plattencover zurück. Wir möchten diesen schmalen Grat zwischen Altherrengeilheit und kultiger Ästhetik würdigen, auf dem sich Sleazy Cover immer bewegen.

Plattensammler sind meist zwischen Mitte Vierzig und Mitte Fünfzig, einsam und vor allem männlich Das ist nicht erst seit gestern so, schließlich erlebte Vinyl seinen Zenit in einer Zeit, in der das Frauenwahlrecht meist kaum älter als 50 Jahre war und die Gesellschaft jenseits von Herd, Küchentisch und Kreissaal wenig Platz für Frauen ließ – außer in aufreizenden Posen auf Plattencovern. Denn jede Kiste Platten im Trödelladen zeigt: Sich räkelnde Körper schmückten einmal absolut alles zwischen Top-Hit-Compilation, Free-Jazz und Easy Listening.

Wer einmal im Online-Journalismus um Klicks gekämpft hat, weiß auch, dass »Sex Sells« keine hohle Phrase ist, sondern empirische Realität. Mit etwas nackter Haut auf ein Teaser-Bild klickt sich der zugehörige Artikel mindestens doppelt so gut. Ähnlich müssen auch Labelmenschen und Marketingstrategen in den Fünfziger und Sechziger Jahren gedacht haben, als sie Sleazy Cover scheinbar willkürlich auf die seltsamsten Platten knallten. Mit der Zeit professionalisierte die Musikindustrie ihr Pimp-Game und wurde immer besser darin, einsamen Musikenthusiasten Sex präzise zu verkaufen – bis irgendwann Disco als perfektes Sex-Genre die Grenze zwischen laszivem Cover und erotischer Musik endgültig verwischte.

Nun erlebt Disco seit einigen Jahren eine Renaissance und die alten, aufreizenden Plattencover kehren zurück in die Läden. Klar: Egal, wie frisch manche Songs aus den Siebzigern und Achtzigern heute klingen, haftet den Platten natürlich der Muff eines antiquierten Frauenbildes an. Doch das Sleazy Cover ist eben auch eine Kunst, ein Indikator für dreckige Tanzmusik, bei der es exzessiv zugeht. Wir möchten diesen schmalen Grat zwischen Altherrengeilheit und kultiger Ästhetik würdigen, auf dem sich Sleazy Cover immer bewegen. Deshalb haben wir zehn einzigartige Viagraersatz-Plattencover aus den letzten oder kommenden Monaten zusammengestellt, hinter denen sich auch noch unfickbare Musik verbirgt.


Hier entlang zu den 12 Schallplatten mit Sleazy Cover Artwork bei hhv.de.


Jennifer Lara
Weekend Loving
Jamwax • 2018 • ab 25.99€
Wochenenddepressionen sind real, »Weekend Loving« von Jennifer Lara ist die Medizin. Das 1985 in Jamaika aufgenommene Album ist ein Plädoyer für Liebe, Loslassen und eben das Wochenende. Die Künstlerin Jennifer Lara war in den Siebziger Jahren eine wichtige Backgroundsängerin für Musiker wie Delroy Wilson, Sugar Minott oder Dennis Brown. Laras 1974 aufgenommenes Debütalbum war erdiger Roots Reggae Sound, auf »Weekend Loving« ging es deutlich heißer her. Der Downtempo-Boogiekracher »Big Surprise« ist der Grund, warum dieses Album bei DJs schon seit Monaten in der Preorder hängt, doch auch die Reggae-orientierteren Titel des Albums bleiben hängen und stehen für das Love in Lover’s Rock. Dickes Plus: Das Reissuelabel Jamwax hat das Album von einer auf zwei LPs entzerrt.

V.A.
Pinky Violence Best Sound Collection
Tava Tava Rare • 2018 • ab 28.99€
Exploitation ist der Deckmantelbegriff, unter dem Filmstudios in den Siebzigern Low-Budget Actionfilme mit Soft-Porno-Anleihen veröffentlichten. Das Wort ist vor allem mit US-Filmen wie »Shaft« oder »Coffy« assoziiert, dabei hatten viele Länder eine eigene Exploitationfilmkultur – zum Beispiel Japan. Dort hieß das Genre Pink Film oder Pinky Violence, je nachdem, ob der Fokus eher auf Sex oder Gewalt lag. Die Compilation »Pinky Violence Best Sound Colle« widmet sich den beiden Studios Toei und Nikkatsu, die solche Filme in den Siebzigern produzierten. Die oft von japanischen Jazzkünstlern komponierten Titel erinnern an Soundtracks italienischer Poliziotteschi-Filme oder den feuchten Traum eines Breakheads: Dreckiger Funk, schnalzendes Schlagzeug, Bläser und massive Basslines.

Asphixiation
What Is This Thing Called Disco?
Chapter Music • 1981 • ab 21.99€
Der Quotenpenis dieser Liste beweist: Lasziv geht auch in haarig, mit Kippe und ohne Erektion. Asphyxiation war ein Nebenprojekt des höchst experimentellen australischen Musikers, Regisseurs und Labelgründers Phillip Brophy, der sich 1981 fragte: »What Is This Thing Called ‚Disco‘?« Für Brophy war es damals anscheinend ein extrem durchgeknallter Mix aus New Wave, Prototechno, Punk und Jazz-Funk. Allen, die jetzt schon anfangen die Discogs-Wantlist zu zücken, sei auch das Werk seiner schwer googlebaren Band → ↑ → ans Herz gelegt. »What Is This Thing Called ‚Disco‘?« jedenfalls ist ein einzigartig verrücktes Album – vor allem, da es wohl zu Brophys zugänglicheren Werken gehört und vielleicht sogar ein Versuch war, ein Mainstream-kompatibles Album zu produzieren.

Susana Estrada
The Sexadelic Disco-Funk Sound Of Susana Estrada
Espacial Discos • 2017 • ab 23.99€
Gerade auf dem Schirm, dass Spanien bis in die frühen Achziger ein repressives Regime war, in dem Zensur und Gewalt Alltag waren? Auch nach Francos Tod 1975 lebte seine Diktatur einige Jahre weiter, trotzdem erlebte die Gesellschaft in den Jahren danach langsam eine Aufbruchsstimmung. Kaum jemand verkörpert diese Transiciòn wie Schauspielerin, Kabaretttänzerin und Sängerin Susana Estrada. Sie gilt als Sexsymbol ihrer Zeit, war 1976 die erste Frau, die in Spanien komplett nackt auf einer Theaterbühne stand und spielte sowohl in Erotik-, als auch in Aufklärungsfilmen mit. Es ist also nicht selbstverständlich, dass ihre schwer gesuchten Alben und Singles so »Sexadelic« sind, wie diese Compilation verspricht. Estradas Dancefloor-zersetzende Songs sind eben nicht nur grandioser Gestöhnedisco, sondern ein wichtiger Beitrag zur sexuellen Befreiung.

Sandy Samuel
I Like Sado Music
Erezioni • 1980 • ab 11.99€
Auch Sandy Samuel tat ihren Beitrag zur sexuellen Befreiung, als erfolgreiche italienische Pornodarstellerin. Allerdings hielt sie sich dabei wohl weniger im seichten Bilitis-Territorium auf als in härteren Gefilden. »You want to be hit / You like to be hit / You like me to hit you / Let Me Whip You«, attestiert die Künstlerin auf einem scheppernd dahingerotzten Instrumental in unverwechselbarem Italo-Disco-Englisch. »I Like Sado Music« erschien 1980 auf dem obskuren Label Blitz und ist Samuels erstes und einziges musikalisches Release. Wie so viele gesuchte wie Nachtclub-kompatible italienische Releases aus dieser Zeit ist das Original gefragt, doch zum Glück gibt es nun eine Reissue, für die der Plattenladen Strictly Groove eigens das Label Erezioni ins Leben rief.

V.A.
French Disco Boogie Sounds Volume 3: 1977-1987
Favorite • 2017 • ab 24.99€
Während die meisten Schmuddelbilder auf dieser Liste einer fernen Vergangenheit entstammen, wirkt es hier nur so: Seit jeher fabriziert das Label Favorite Recordings die anzüglichen Cover für seine Disco Boogie Compilationserie selbst. Die Musik ist übrigens genau, was die Hülle verspricht: Tanzbare Raritäten aus Frankreich, auf französisch oder von französischen Künstlerinnen und Künstlern, die – wie sollte es anders sein – im Original nur für Monatsmieten den Besitzer wechseln. Neben Titeln aus frankophonen Ex-Kolonien wie der Elfenbeinküste, finden sich auf der Doppel-LP vor allem französische Musiker, die in den späten Siebzigern oder frühen Achtzigern die Discowelle reiten wollten, aber nie wirklich aufs Surfbrett kamen.

Touche
Just Like A Doorknob
Best Record Italy • 1983 • ab 15.99€
Zur Review
Best Records die Zweite! Doch statt orchestralem Siebzigerdisco gibt es jetzt knallharten funky Boogie mit vor Power strotzendem High Energy Cover. Obwohl »Just Like A Doorknob« 1983 in Italien erschien, ist es nicht wirklich Italo-Disco, da Touché (mutmaßlich) eine Gruppe von US-Studiomusikern waren, die der Produzent Dennis Bell um sich scharte. Ihre erste Single »Wrap It Up« ist immer noch ein fantastischer Vocoder-Funk-Jam, doch »Just Like A Doorknob« perfektionierte mit einer hypnotischen Bassline und laszivem Proto-Rap die Kunst der Dancefloorbombe. Später sollte Bell Dougie Fresh produzieren, die Spuren der Bandmitglieder verlaufen sich im Sande, nachdem sie 1986 mit einer auf Freitag den 13. anspielenden Single namens »Jason, Jason« erfolglos versuchten, auf den Freestylezug aufzuspringen. Im Boogie Train sind sie allerdings bis heute Lokführer.

The First International Sex Opera Band
Anita
Golden Pavilion • 2017 • ab 29.99€

Wer hat gesagt, dass nur tanzbare Discoplatten anrüchige Cover können? Niemand? Gut, denn »Anita« von The First International Sex Opera Band wäre ein ideales Gegenargument. Hinter der dilettantischen Kritzelei (streif den Obi ab) eines horny Teenagers ohne Internetzugang versteckt sich ein komplett abgedrehter Mix aus Free-Jazz, treibendem, psychedelischem Rock und Gestöhne/ Gekreische/ Geschrei, das fließend zwischen sexuell erregt, Höllenqualen erleidend und Geistergeheul wechselt. Das ultra-rare Album hat eine rätselhafte Geschichte: Es erschien 1969 auf einem niederländischen Label für Schmuddelschlager, die Band selbst bestand wohl aus Studiomusikern, aber auch aus Mitgliedern der niederländischem Rocktruppe Sandy Coast. Beat, Dada und sexuelle Revolution auf 30 Minuten.

Private Records presents
OST Italo Disco Legacy Black Vinyl Edition
Private • 2018 • ab 44.99€
Wenn eine Dokumentation über Italo Disco im Berghain Premiere feiert und das Publikum die anschließende Party morgens mindestens so verschwitzt wie eine Clubnacht Brettertechno verlässt, schließt sich ein Kreis. So geschehen beim Dokuprojekt »Italo Disco Legacy«, das nach vier Jahren Produktion im Januar in Berlins bekanntestem Club uraufgeführt wurde. Und wie es sich für eine gute Musikdoku gehört, kann sich auch der Soundtrack sehen lassen – wobei es beim Aufklappcover mit kosmisch angemaltem Frauenkörper eher angaffen heißen sollte. Auf der Doppel-LP Compilation des Berliner Labels Private Records finden sich neu aufgelegte, teils unveröffentlichte Italo Disco Raritäten, aber auch neue Songs, die sich direkt vom Klang der Diskotheken Italiens in den Achtzigern inspiriert haben lassen.

Cerrone
Cerrone's Paradise
Because • 2014 • ab 21.99€
Jean-Marc Cerrone spielte im Sommer 1972 Schlagzeug in den Straßen Frankreichs, als ihn jemand an seinen Tisch einlud. Der damals 20-jährige hatte zufällig einen Funktionär der Plattenfirma Barclay beeindruckt, der ihn und seine Band Kongas quasi von der Strasse wegsignte. Kongas lieferten zwei Alben lang einen französischen Funky Gegenentwurf zu Santana, doch erst in der zweiten Hälfte der Siebziger sollte der Schlagzeuger und Komponist Cerrone die Musikgeschichte mit einigen Solo-Alben umkrempeln, die zu den Blaupausen des europäischen Discosound wurden. »Cerrone’s Paradise« von 1977 ist der Zenit dieser Phase. Alleine der Titelstrack erstreckt sich über eine Viertelstunde glorreichen Abfeierns von Ausgehen, Liebe und Sex. Im Guardian ist Cerrone The Disco Pioneer You’ve Probably Never Heard Of

Double Exposure
The Stars Of Salsoul
Salsoul • 2018 • ab 22.99€
Es muss anfangs schon absurd gewesen sein: Da wird ein Song aufwändigst komponiert, eingespielt, eingesungen, abgemischt und abgesegnet. Und dann bekommt die Masterbänder irgendein DJ, der alles noch einmal komplett von vorne arrangiert und für den Dancefloor optimiert. Noch bevor Menschen wie Larry Levan, Shep Pattibone oder auch Frankie Knuckles für ihre Dance-Versionen bekannt wurden, produzierten Tom Moulton und Walter Gibbons in den Siebzigern die ersten Remixe. Gibbons mischte auch auf der ersten je kommerziell veröffentlichten 12"-Single mit – »Ten Per Cent« von Double Exposure –, die den Kurs der Musikgeschichte für immer verändern sollte. Der legendären Disco-Truppe Double Exposure widmet Salsoul nun diese 2×12"-Compilation mit originalen Remixen von der Disco-Ära bis heute.

Tomorrow's People
Open Soul
Melodies International • 1976 • ab 29.99€
Den Ehrenplatz auf dieser Liste belegt »Open Soul« von Tomorrow’s People Offensichtlich ist das Cover des Reissues auf Melodies International so anrüchig wie eine Zeichnung von drei angezogenen Musikern nur sein kann – nämlich geht so. Das mag dem künstlerischen Stil des Labels geschuldet sein, aber auch der Tatsache, dass es wohl Lizenzrobleme beim heißen Originalcover gab, das genug Sexappeal für alle gezeichneten Plattenhüllen dieser Welt mitbringt. Die Tomorrow’s People waren übrigens vier Brüder aus Chicago, die mit der privat gepressten LP Open Soul einen der heiligsten Gräle für Sammler von dreckigem Funk und Disco in den USA schufen. Die originale LP wird immer wieder für vierstellige Beträge verkauft. Das liegt wohl vor allem am absolut abgefahrenen, 20-minütigen Titeltrack – Highly Recommended.


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