Melody As Truth – An der Schwelle von Sound und Stille

10.09.2020
Mit seinem Label Melody As Truth bewegt sich Jonny Nash zwischen Balearic und Ambient. Die Reise führt von New Age zu einer neuen Art von Weltkammermusik. Er selbst spricht vom »Erforschen von Raum und Timing«.

Die Schallplatten von Melody As Truth findest du im [Webshop von HHV Records](https://www.hhv.de/shop/de/melody-as-truth-electronic-dance/i:D2L44366N93S6U9.)


»Mehr Kontrolle über meinen Output, die Veröffentlichungspolitik, die Vertriebswege und das Artwork« zu haben, seien die Hauptgründe dafür gewesen, mit Melody As Truth (MAT) 2014 ein eigenes Label an den Start zu bringen, sagt Jonny Nash Projekte wie Discossession, Kham Lingtsang Band und Spirit Bear Mezcal Ensemble, die Duos Land Of Light (mit Kyle Martin) und Sombrero Galaxy (mit Tako Reyenga), sowie Remixe für Acts wie Cos/Mes oder Seahawks mit Releases auf einschlägigen Imprints wie Lovefingers ESP Institute oder der japanischen Clubmusik-Institution Crue-L Records hatten Nash zu diesem Zeitpunkt in der Balearic- und Nu-Disco-Szene bereits einen hervorragenden Namen als Producer eingetragen. Dementsprechend habe er zu Beginn mit Melody As Truth kaum andere Ambitionen gehegt, als eine unabhängige Plattform für seine eigenen Produktionen zu haben. Geändert hat sich dieser enge Fokus durch die Bekanntschaft mit Diego Herrera, dessen Ambient-Album »Talk From Home« als Suzanne Kraft die erste MAT-Veröffentlichung war, die nicht aus Nashs Studio stammte und bis heute die erfolgreichste Veröffentlichung des Labels ist. Daraus hat sich mittlerweile auch eine enge künstlerische Zusammenarbeit entwickelt: Rund ein Drittel des MAT-Katalogs gehen auf das Konto ihres Duos. Zeitgleich mit seinem Umzug nach Amsterdam im Jahr 2017 öffnet Jonny Nash den MAT-Roster auch für andere Produzenten: Im Folgenden erscheinen Platten des französischen Producers Dang-Khoa Chau alias D.K. des dänischen DJs Natal Zaks unter dem Pseudonym Palta und von Rory Glacken aus Melbourne als Tourist Kid, zudem ein Longplayer von Nash mit der Ambient-Legende Gigi Masin (»ein persönlicher Meilenstein«) und ein weiteres Land-Of-Light-Album. Aktuell gehe die Tendenz allerdings wieder dahin, sich auf Produktionen von ihm und Herrera zu konzentrieren, so Nash.

»Freie Improvisation und improvisierte Melodien erzeugen eine direkte Kommunikation dessen, was man ausdrücken möchte – diese Spontaneität trägt ein Element von Schönheit und Wahrheit in sich«

Jonny Nash

Im Namen seines Labels manifestieren sich einige seiner musikalischen Vorlieben, insbesondere die für improvisierte harmonische Strukturen: »Ich hatte schon immer vor allem Melodien im Kopf. Freie Improvisation und improvisierte Melodien erzeugen eine direkte Kommunikation dessen, was man ausdrücken möchte – diese Spontaneität trägt ein Element von Schönheit und Wahrheit in sich«, erklärt der 1981 geborene, in Edinburgh aufgewachsene und mit 18 Jahren nach London gezogene Produzent und Labelbetreiber. Den gemeinsamen Nenner seiner Veröffentlichungen sehe er darin, »an der Schwelle zwischen Sound und Stille zu arbeiten«, umreist Nash das Profil seines Labels. Zentral sei das »Erforschen von Raum und Timing«. Nicht von ungefähr erinnert das ästhetische Erscheinungsbild der meisten MAT-Platten, vielfach von Michael Willis verantwortet, an das von ECM Auch für Manfred Eichers Label, das Nash neben Music From Memory dem Label von Jamie Tiller und Tako Reyenga, mit denen er gut befreundet ist und in regem Austausch steht, unumwunden als maßgeblichen Einfluss und große Inspirationsquelle nennt, ist die Erkundung des Entstehens von Klang aus der Stille seit Jahrzehnten das entscheidende Leitbild.

Auf eine Phase, in der sein Interesse hauptsächlich digitalen Produktionsmitteln gegolten habe, folge nun eine der intensiveren Beschäftigung mit akustischen Schallquellen und Aufzeichnungsmethoden: »Ich würde nicht sagen, dass ich mich nicht mehr für elektronische Musik interessiere, aber derzeit bin ich wirklich fasziniert davon, mit echten Mikrofonen in natürlichen Hallräumen zu arbeiten«, beschreibt Nash seine künstlerische Entwicklung. Obwohl in der Clubkultur sozialisiert, komme seinen eigenen DJ-Sets dagegen ein zunehmend geringerer Stellenwert zu. Prägender für MAT sei das, was er »digging culture« nennt, und da habe sich sein Fokus im Lauf der Jahre eben von Cosmic Disco über New Age zur organischen Akustik verschoben, meint Nash, der auch eineinhalb Jahre in Asien verbracht und Indologie studiert hat. Dennoch sei ihm, auch wenn die Bedeutung digitaler Vertriebskanäle konstant zunehme, nach wie vor sehr wichtig, dass die meisten MAT-Releases auch auf Vinyl erscheinen. Momentan widme er sich vorzugsweise vorbarocker Kammermusik oder osteuropäischem Folk. Neben Alter Musik habe aber auch Neue Musik großen Einfluss auf ihn, sagt Nash und nennt die Komponisten Morton Feldman und John Luther Adams. Zu seinen All-Time-Favs gehören The Blue Niles »Hats«, Talk Talks »Laughing Stock« und das Soloalbum von Mark Hollis. Auf MAT hingegen wird als nächste Veröffentlichung ein Longplayer von Jonny Nash mit dem indonesischen Musiker Teguh Permana, der mit der Gruppe Tarawangsawelas spielt, erscheinen. 21 Releases in sechs Jahren mögen nicht viel erscheinen, aber: »Ich lebe meinen Traum – wenn auch im Schildkrötentempo!«, lacht Nash.


Die Schallplatten von Melody As Truth findest du im [Webshop von HHV Records](https://www.hhv.de/shop/de/melody-as-truth-electronic-dance/i:D2L44366N93S6U9.)