Es gibt ja nichts Langweiligeres als Techno-Compilations. 15 Clubtools in Folge, das ist im Grunde nicht zumutbar und meistens sowieso eher reiner ökonomischer Verlegenheit geschuldet: Die zwei, drei Killer-Tracks werden den Rest schon rechtfertigen. Anders allerdings »Facticity«, die Werkschau von Infrastructure. Das ursprünglich Ende der neunziger Jahre von Function in New York gegründete Label, welches er nach fast einem Jahrzehnt Pause gemeinsam mit Ed Davenport (alias Inland) in Berlin wiederbelebte, konzentriert sich seit seiner Wiedererweckung neben Re-Releases von altem Function-Material auf Techno-Entwürfe, die nicht allein Serviceleistung sind. Campbell Irvine beispielsweise, der bisher zwei EPs auf dem Label veröffentlichte, setzt den Fokus seines von Minimal Music inspirierten Stücks eher auf sattes Sounddesign und dichte Atmosphäre als auf einen tanzbaren Beat. Ein schöner und zugleich Maßstäbe setzender Auftakt: Die unterkühlte Grundstimmung von »Dislocation Is Only The Beginning« zieht sie als dunkelroter Faden durch die kompletten 90 Minuten von »Facticity«. Ob Vatican Shadows verhuschte Synthie-Dramatik, Rrose‘ überragende Rhythmuspsychedelik, Cassegrain & Tin Mans gemeinsamer Banger »Polyacid Blue«, Post Scriptums unterkühlter Bigroom-Techno-Entwurf, Steve Bicknells absolute Aufgekratztheit, Efdemins verbimmelter Albtraumtechno oder das toll steppende Kollaborationsstück »Colwyn Bay«: Bevor Silent Servant »Facticity« mit industriellem Noise und fiebrigen Drones ausklingen lässt, finden sich reichlich unterschiedliche Tracks zu einem stringenten Spannungsbogen zusammen. Der setzt zwar auch seinen Schwerpunkt auf einen von Killer-Tracks geprägten Höhepunkt in der Mitte, bietet aber darüber hinaus noch wesentlich mehr. »Facticity« ist weniger eine Compilation als vielmehr ein unprätentiöses, nicht ökonomisch gedachtes Mixtape.
Infrastructure Facticity