Da wäre man doch zu gern dabei gewesen: Anfang der 1980er Jahre ersann die Performancekünstlerin Anna Homler »Breadwoman«, eine alte Frau, so alt, dass sie zu Brot geworden ist. Diese mysteriöse Gestalt im schlichten Gewand einer Bäuerin mit Kopftuch und einem Gesicht aus – selbstgebackenem? – Brot sang in einer asiatisch anmutenden Sprache, die sich die in Los Angeles lebende Anna Homler bei einer Fahrt durch die Wüste ausgedacht hatte. Was genau die Botschaften sind, die sich hinter Titeln wie »Ee Chê« oder »Gu She’ Na’ Di« verbergen, bleibt genauso geheimnisvoll wie die spartanischen elektronischen Klänge, die ihr Kollege Steve Moshier beigesteuert hat. Doch geht es Anna Homler in ihren leicht elegischen Liedern auch weniger um semantische Fragen als um »performative« Mitteilungen. Man versteht sie wohl am ehesten, wenn man gerade nicht versucht, die Worte zu entschlüsseln, sondern einfach ihrem fremden Klang lauscht. Man hat den Eindruck, archaischen Ritualen beizuwohnen, denen die tribalistische Elektronik einen insistierenden, leicht unheimlichen Beigeschmack gibt. 1985 erschienen die Aufnahmen von Anna Homler und Steve Moshier lediglich auf Kassette. Jetzt haben sich RVNG Intl der Sache angenommen und veröffentlichen dieses Kleinod zum ersten Mal auf Schallplatte, erweitert um zwei düstere Ambient-Stücke, die zusammengenommen noch einmal so lang sind wie das ursprüngliche Album. Eine berückende Poesie, sehr weit draußen.
Breadwoman & Other Tales