Es ist eigentlich ein schöner Widerspruch, dass sich die Geschichte der analogen Synthesizer in Binaritäten – grundlegend für alles Digitale – erzählen lässt. Angefangen hat alles mit dem Dualismus von Ostküstenphilosophie vs. Westküstenphilosophie. Während in New York ein gewisser Robert Moog seine private Theremin-Bastelei weiterentwickelte und mithilfe modernster Technik einen Synthesizer entwickelte, der mit einem Keyboard ausgestattet allen BerufsmusikerInnen nicht völlig absonderlich scheinen sollte, bastelte in San Francisco Don Buchla Hardware zusammen, die keinem bisherigen Musikinstrument glich. Dass sich Moog und damit die Ostküstenphilosophie durchsetzen sollte, zeigte sich schnell: Während das Debütalbum von Morton Subotnick, der gemeinsam mit Don Buchla an dessen Synthesizer gearbeitet hatte, keine größeren Erfolge feiern konnte, verkaufte sich Wendy Carlos‘ 1968 erschienene Interpretationen von Johann Sebastian Bach-Stücken, »Switched-On Bach«, das mit einem Moog-Synthesizer aufgenommen wurde, mehr als jedes andere Klassik-Album jemals und legte den Grundstein für die Erfolgsgeschichte Moogs.
Doch der Siegeszug des modularen Synthesizers sollte nicht ohne Rückschläge voranschreiten. Die von Jason Amm und Robert Fantinatto über mehrere Jahre gedrehte Dokumentation »I Dream Of Wires« lässt als filmische oral history die gesamte, zum Teil problematische Geschichte der Modularsynthese wieder aufleben – von den ersten Gehversuchen in New York und San Francisco über den Backlash durch erst Punk und im Folgenden die Einführung digitaler Hardware bis hin zum Revival der letzten Jahre. Zu Wort kommen dabei nicht nur Figuren wie Morton Subotnick selbst, sondern auch profilierte Nerds wie etwa Nine Inch Nails‘ Mastermind Trent Reznor, Mute-Gründer Daniel Miller oder Vince Clarke von Depeche Mode – und selbstverständlich die Menschen, die sich damals wie heute um Entwurf, Konzeption und Bau der kombinierbaren Synthesizer-Parts kümmern. Dabei kehrt der mit eineinhalb Stunden relativ kompakte Film subtil eine weitere Binarität ans Tageslicht: Während sich diejenigen hinter der Technik weniger für die Musik interessieren, nähern sich viele der MusikerInnen mit begeisterter Ahnungslosigkeit ihrem Arbeitsmaterial.
Was »I Dream Of Wires« aller Differenzen zum Trotz zusammenhält, ist die Leidenschaft für den gemeinsamen Gegenstand. Ob Ost- oder Westküste, Lotkolbenfanatismus oder Knöpfchendrehermentalität: Vom Eurorack-Erfinder Dieter Döpfer bis hin zu Chris Clark sprudeln alle Interviewten vor Enthusiasmus geradezu über. Es ist gerade die Ausgewogenheit, die diese Dokumentation zu einem spannenden Dokument macht, das Nerds wie Laien gleichermaßen für sich gewinnen kann.