Als Teil von Zugezogen Maskulin hat grim104 in den letzten 12 Monaten die deutschen Blogs, Cro-Fans und mindestens ein paar Berliner Rapper zu harschen Kommentaren hingerissen. Das polarisierende Duo schaffte es mitunter sogar zu einer Erwähnung in der Online-Ausgabe eines großen Nachrichtenmagazins, wo grim und Sparringspartner Testo zu einer Protest-Band der Gentrifizierer stilisiert wurden. Doch grims Solo-Debüt »grim104 EP« ist nicht bloß einfach eine Abrechnung mit den dubiosen Heimatschutzinstinkten der »echten« Berliner, die ihren Kiez vor Zugezogenen hüten. Es ist die bitterböse Bestandsaufnahme eines gebeutelten Provinzjungen, den die Geister seiner Vergangenheit aus verregnetem Nordseestrand, Schützenfesten und sakralem Spießbürgertum nicht loslassen. Die musikalische Kulisse dieses mörderischen Schauspiels sind meist synthetisch-melancholische State-Of-The-Art-Beats, die sich zwischen düsterem Gewitter-Cloud-Rap (»Crystal Meth in Brandenburg«) und spacigem Future-Bap (»Dreck Scheisse Pisse«) zu einer metallisch-glänzenden Abscheu-Symphonie orchestrieren – vergleichbar mit dem innovativen TV-Format »Wild Germany«. Grims messerscharfe Beobachtungsgabe und die mehrdeutigen wie bissigen Kommentare entmystifizieren mit jedem Takt Hauptstadt-Hype, biedere Provinz-Romantisierung und den derzeit so populären Saubermann-Konsens maskierter Mädchenrapper in schaurig-schöner Schwarzmalerei. Hält man auch seine Stimmfarbe und die eigentümliche Delivery zunächst für gewöhnungsbedürftig, ist nach diesen 30 Minuten klar, dass mit dem taufrischen Buback-Signing der deutsche Hiphop eine dringend notwendige und rotzlöffel-freche Punk-Attitüde in die Pandamaske gedrückt bekommt.
Grim104