Von allen Mix-Serien ist »Kern« die behäbigste: Im Jahr 2012 startete der Berliner Club Tresor seine eigene Reihe mit einer CD von DJ Deep, acht Jahre später erst steht die fünfte Ausgabe in den Startlöchern. Immerhin aber ist die Besetzung von »Kern« hochkarätig: Nach DJ Hell folgten erst Objekt und schließlich DJ Stingray, womit sich eine musikalische Abweichung vom – pardon – Kernsound des Techno-Clubs abzeichnete. Electro, mal mit Clash und mal mit Avantgarde-Anspruch, rückte merklich in den Fokus von Kern. Da scheint es nur sinnig, dass Helena Hauff als Fünfte an die Decks tritt, um schwitzigen Maschinen-Funk mit viel Gear-Grit und post-punkiger Mittelfinger-Attitüde über mehr als zwei Stunden in einen fiebrigen Flow zu bringen. Die Return-To-Disorder-Betreiberin gehört zu den DJs, die in den vergangenen Jahren die Fahne für das Genre am höchsten hochgehalten haben. Schon der Auftakt, Curley Schoops Acid-Banger »Mayhem« unter dem Namen Esoterik, sowie Mononom übersehener Klassiker »Shrinking« bringt die Hauffsche DJ-Poetologie bestens auf den Punkt: Es geht rückwärts Richtung future, Stippvisiten in Den Haag und in Chicago sowie eine rumpelige Abfahrt von »Glasgow to Detroit« (Galaxian) mit eingeschlossen. Langsam fließt Techno in Electro über, zieht Hauff das Tempo an und baut dramatische Pausen ein, die mit abrupten Veränderungen in Klangfarbe und Stimmung einhergehen. Zwischen reduziertem Jack und funkensprühendem Noise-Attacken entstehen so Verbindungslinien, wie sie sonst nie hörbar geworden wären. Neben Beiträgen von jüngeren Produzent*innen wie Shedbug und Animistic Beliefs sowie alten Recken wie Umwelt und Nasenbluten runden Exclusives von unter anderem Helena Hauff im Verbund mit dem Griechen Morah einen Mix ab, der das Format als Kunstform begreift und mit dynamischen Storytelling auffüllt. »Kern«-Beiträge mögen auf sich warten lassen, dieser aber allein entschädigt dafür allemal. Ein besserer Mix wird dieses Jahr nicht zu hören sein.
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