Die 24 besten – Reissues des Jahres (bis jetzt)

14.07.2016
Keine Compilations, sonst eigentlich alles. 24 Reissues, die aus dem redaktionsinternen, wutdemokratischen Verhandlungen als absolut unabdingbar herauskamen. Dann in Texte gegossen und alphabetisch sortiert.

Es ist kein Geheimnis: die Re-Saturnisierung von Vinyl habt ihr primär euren Vätern zu verdanken, die sich dort zwischen lebensgroßem Andreas Bourani-Pappmaché und Ich+Ich-»Best-Ofs« immerhin noch einigermaßen geschmackssicher zum achten Mal »Beggar’s Banquet« kaufen und gleichzeitig dafür sorgen, dass euer auf 22 Stück limitiertes Calypsodronewavebliphouse-Whitelabel erst 2022 einen Termin im Presswerk bekommen hat.

ABER: Bei all dem First World-Gejammer über Record Store Day-Ungerechtigkeiten und der Fetischisierung von Vinyl als Deko-Gegenstand: so viele gute und jahrelang gewunschlistete Reissues wie in den letzten Monaten gab es noch nie, vor allem nicht aus der sogenannten Peripherie. Alleine aus Afrika und Asien hätten wir locker 24 essentielle Platten nennen können, die in der ersten Jahreshälfte 2016 wiederveröffentlicht wurden.

So fielen am Ende auf Grund dieser Obergrenze von African Head Charge bis ZYX dutzende Platten unter den Tisch, die ihr eurem Vater mitbestellen solltet. Die verbliebenen wurden aber im patentierten wutdemokratischen Verfahren redaktionsintern als absolut unverzichtbar deklariert und in alphabetische Reihenfolge gebracht. □ Florian Aigner

Ahmed Malek
Musique Original De Films
Habibi Funk • 2016 • ab 24.99€
Zur Review
Wir verdanken diese Reissue Jannis »Jakarta« Stütz‘ größtem Hobby. Der Labelchef ist seit jeher Kulturvermittler. Irgendwann um 2012 entdeckte er den arabischen Raum und seine Musik für sich. Besonders der algerische Musiker Ahmed Malek tat es Stütz an. Er machte eine Originalkopie seines Albums »Musique Original de Films« aus, traf sich mit Maleks Tochter, die ihn daraufhin unterstütze und veröffentlichte daraufhin dieses Werk des »algerischen Morricones« neu. Stimmungsgewaltig und doch leichtfüßig, klassisch und verspielt. Super Veröffentlichung. □ Philipp Kunze

Anna Homler & Steve Moshier
Breadwoman & Other Tales
Rvng Intl. • 2016 • ab 26.99€
Zur Review
Das Album »Breadwoman & Other Tales« erhält gleich zwei Preise: Den für die merkwürdigste Ästhetik und den für die unglaubwürdigste Geschichte. Angeblich Mitte der 1980er Jahre auf Kassette erschienen, versammelt das über RVNG Intl. neu aufgelegte Album elektronische Krachmacher-Kompositionen von Anna Homler und Steve Moshier, über die Homler in einer ausgedachten Sprache singsangt. Ein bisschen bescheuert und noch viel mehr großartig. Industrial in poetisch, brutal und doch zärtlich. Wenn das fiktiv ist, bleibt die Realität eben ein bisschen langweiliger. □ Kristoffer Cornils

The Beach Boys
Pet Sounds 200g Vinyl Stereo Edition
Analogue Productions • 1966 • ab 75.99€
Es gibt Pop-Alben, die für die Musikgeschichte ungemein wichtig waren und es gibt »Pet Sounds«. Ein megalomanisches Großprojekt Brian Wilsons, der damit einerseits dem Rivalen Phil Spector und andererseits den Beatles ein Schnippchen schlagen wollte. Herausgekommen ist ein Album, das ungefähr so viele verschiedene inhaltliche Ebenen wie großartige Vokal-Harmonien hat: Unter jeder schmeichelhaften Akkordfolge tun sich menschliche Abgründe auf, die vormals nie und im Nachhinein nur selten in eine dermaßen stringente Form gebracht wurden. Unter dem Pflaster liegt der Strand, unter den Beach Boys ein allumarmender, reinigender Schmerz. Zwischendurch läuten die Fahrradklingeln. □ Kristoffer Cornils

Black Disco
Night Express
Matsuli • 1976 • ab 29.99€
Zwischen cremigem Philly-Sound, diasporischem Jazz-Funk und psychedelischem Easy Listening mag es Berührungspunkte geben, seltener aber wurden sie dermaßen eng und logisch verknüpft wie auf dem ursprünglich 1976 erschienenem »Night Express« von Black Disco. Musik zum Whiskynippen, Abshaken oder für die schwülstige Angespanntheit am Vorabend der Revolution. Ein großartiges künstlerisches Statement, das nicht ohne politische Implikationen daherkommt. They say it loud – ohne ein einziges Wort darüber zu verlieren. Was genau, werdet ihr nach den ersten Tönen des Titeltracks kapieren. □ Kristoffer Cornils

Bruno Spoerri
Langstrasse Zwischen 12 Und 12
Finders Keepers • 2016 • ab 18.99€
Zur Review
Skizzenhaft ist Bruno Spoerris Soundtrack zum filmhistorisch völlig untergegangenen Milieustudienstreifen »Langstraße zwischen 12 und 12« allemal, dabei aber stilistisch unglaublich reich. Wie der Film ein buntes soziales Kolorit zusammenbringt, so verblendet auch der Schweizer Komponist eine Vielzahl von Stilen über Bar-Jazz bis hin zu Rumpelrock, die ihrerseits von Brüchen und Twists geprägt sind. Kauzig, schön, psychedelisch – und meistens alles zugleich. Siehe »Strip Bar«, einem Highlights unter vielen. Kristoffer Cornils

Caroline K
Now Wait For Last Year
Blackest Ever Black • 2016 • ab 33.99€
Zur Review
Die 2008 verstorbene Caroline »K« Walters war eine übersehene Randfigur der britischen Industrial-Szene. Ihr 1987 veröffentlichtes Soloalbum »Now Wait For Last Year« aber entwickelte sich über die Jahre zu einer Art heiligem Gral unter Elektro-Krach-Nerds. Zwei CD-Reissues auf dem Label Klanggalerie folgend legt nun Blackest Ever Black die Platte neu auf Vinyl auf und rückt Caroline K damit in einen Kontext, in welchem ihre Musik wahnsinnig zeitgeistig klingt – insbesondere der elegische Überhit »Tracking With Close-Ups«. Wir hoffen bereits auf einen Ancient Methods-Remix. □ Kristoffer Cornils

Count Ossie & The Mystic Revelation Of Rastafari
Tales Of Mozambique
Soul Jazz • 2016 • ab 38.99€
Über zwei Dinge muss man hinweg sehen, um die Neuauflage dieses Albums genießen zu können: Count Ossies fundamentalistische Tendenzen und das potthässliche Artwork, da fehlt wirklich nur noch, dass sich im abgebildeten Gesicht eine Afrika-Karte abzeichnet. Der Rest auf »Tales from Moazmbique« stimmt friedlich, allerdings nicht in Relation sondern wirklich: FRIEDLICH. Gesang, Niyabinghi-Trommeln, dort ein Bläser, hier ein Örgelchen, mit seinen jazzigen Anleihen absolut revolutionär für den damaligen Reggae. Cover vernichten, Platte auflegen, Unkraut jähten, und hier und da eine Pause machen, um den »most high« anzubeten. □ Philipp Kunze

Daniela Casa
Societa Malata
Dagored • 1975 • ab 30.99€
Das Traurige zuerst: Daniela Casa hätte bekannter sein müssen und älter werden sollen. Die italienische Komponistin war eine Pionierin was abstrakte, elektronische und experimentelle Pop-Musik anbelangt, mixte Jazz mit Drone, ach, machte einfach alles. Mit nur 42 Jahren verstarb sie. Nun zum Erfreulichen: Dieser Zusammenstellung an Songs. Dagored Records widmet sich mit »Societa Malata« (1975) Casas bedachter Seite, 11 Tracks, Xylophon, Bongos, Gitarren-Soli, Synths. Selten, dass so viele Ideen auf einem Haufen so unkompliziert klingen. □ Philipp Kunze

DJ Screw
3 N The Morning 20th Anniversary
So South • 2016 • ab 33.99€
Ein Traum von mir: ich hänge mit Z-RO und irgendwelchen anderen Schnupfen-Boys auf DJ Screws Couch (no Danish design) ab und zocke Playstation. Screw geht wie immer mit Schlüssel schlafen und wacht zwei Tage nicht auf (Codein), weshalb die Schnupfen-Posse und ich eingesperrt bleiben und unseren Magen zwei Tage mit Chips zumüllen und unsere Seele mit heißen Playstation-Spielen. »3 in Da Morning« (1996) zu hören, kommt der Realisation dieses Traums noch am nächsten. Gab’s als Kassette, gab’s als CD, gibt’s jetzt endlich auch auf LP. □ Philipp Kunze

Exploit
Crisi
Sonor Music Editions • 1972 • ab 20.79€
Sind wir ehrlich: auf einem Flohmarkt würde man die Scheibe des billigen Cover-Artworks wegen einfach überblättern. Was ein großer Fehler wäre. Die Original-Platte von 1972 der dreiköpfigen Prog-Rock/Jazz-Band Exploit aus Rom ist so gut wie nicht existent und auch die Repress aus dem Jahre 1989 taucht in etwa so selten irgendwie auf wie Mewtu bei #PokémonGo. Selbst die Neuauflage von »Crisi« ist auf 500 Stück limitiert. Wer Vinyl als Spekulationsobjekt sieht, sollte zuschlagen. Musikalisch geht natürlich auch etwas. Liebhaber werden die A-Seite bevorzugen, auf der sich die Band von ihrer proggigen Seite zeigt. Es gesellen sich kommerziellere Songs auf der B-Seite hinzu, Hang zum stereotypen Eisdielen-Rock/Pop nicht von der Hand zu weisen. □ Philipp Kunze

Hailu Mergia & Dahlak Band
Wede Harer Guzo
Awesome Tapes From Africa • 2016 • ab 26.99€
Zur Review
Selbst in den schlimmsten Zeiten tanzt irgendwo jemand. Äthiopien befand sich 1978 im Krieg mit Somalia, es herrscht der »Rote Terror«, über der Adis Abeba wurde eine Ausgangssperre verhängt. Destruktivität allerorts und doch entsteht im Ghion Hotel etwas Neues. Hailu Mergia musiziert mit der Dahlak Band, die seinen hypnotisierenden Orgel-Sound um Soul und Funk anreichert. Wunderschöne Musik die da entstand – und beinahe verloren ging. Die Sessions wurden auf Tape aufgenommen, Hailu Mergias eigene Kopie (mutmaßlich) die letzte diente also Grundlage für die Vinyl-Version von »Wede Harer Guzo« Was damals in Zeiten von großem Terror entsteht, hilft heute Wunder, wenn es darum geht dem winzigen Terror des Alltags für eine Runde Zwiebeln schneiden zu entkommen. □ Philipp Kunze

J Dilla
Donuts 10th Anniversary Gatefold Edition
Stones Throw • 2016 • ab 25.99€
J Dilla starb viel zu früh und sein Abschiedswerk ist viel zu kurz. Das war es auch schon mit der Kritik an diesem in allen Farben und Formen kursierenden Album, dessen zigste Wiederveröffentlichung ebenfalls wenig Anlass zum Meckern gib. Es gibt schließlich vermutlich kaum ein Exemplar dieser Platte, die nicht völlig abgegrabbelt ist. Denn so kurz die kongenialen Samplingmeisterstücke von »Donuts« (2005) auch sind: Gerade das weckt das Verlangen, sie immer wieder auf dem Regal zu ziehen und die Grooves Umdrehung für Umdrehung abzuschleifen. Zum zehnten Jubiläum nun auch als Gatefold-Version. □ Kristoffer Cornils

Lil Wayne
Tha Carter Volume 2
Universal • 2005 • ab 52.99€
»The Carter II«, das ist Lil Wayne in der Zwischenphase. Eine Zeit, in der er den Titel best rapper alive nicht unberechtigt für sich einforderte. Hier war er noch zu einem großen Teil der grimmige N’Awlins-Hot Boy, aber auch nur noch zwei Jahre davon entfernt, sämtliche Tassen aus seinen Schränken zu entfernen und schwerelos zum Mars aufzusteigen. Auf »The Carter II« kaute Weezy noch reihenweise die Messerklingen ab, Lollipop war später. Konzentrierter hat er in seiner Karriere nur noch selten gerappt. Das Album aus dem Jahre 2005 enthält außerdem neben einem der wenigen richtig fetten Runners-Beats (die, die »Hustlin’« produziert haben) auch den letzten und vielleicht einzig brauchbaren Auftritt von Robin Thicke. □ Philipp Kunze

Madlib
Shades Of Blue HHV Exclusive Blue Vinyl Edition
Blue Note • 2003 • ab 25.99€
Es bleibt zu Madlibs »Shades Of Blue« von 2003 ungefähr genauso viel zu sagen wie zu J Dillas »Donuts« oder »Paul’s Boutique« von den Beastie Boys: herzlich wenig. Allein schon, weil mit der Sample-Orgie straight outta Blue Note back catalogue schon alles gesagt war. Was sich als lauschiger Lounge-Sound bei Bonobo weiterüberlebte, markierte indes immerhin nicht das Ende von Otis Jackson Jr.s Konductor-Fähigkeiten. Unübertroffen bleibt es dennoch – und damit ist eben auch schon alles gesagt. □ Kristoffer Cornils

Manuel Göttsching
E2-E4 (2016 - 35th Anniversary Edition)
MG.Art • 1984 • ab 23.99€
Zur Review
Krautrock blieb nicht lange das Geisteskind von kommunardisch organisierten Vollbärtlern, die lieber 16 Minuten statt der genormten dreieinhalb die Gitarren jaulen ließen. Klaus Schulze versteckte sich in riesigen Synthesizer-Türmen, sein Ash Ra-Kollege Manuel Göttsching folgte bald und nahm im Jahr 1981 in nur einem Tag ein Album auf, welches für die folgenden 35 stilprägend war. Ohne »E2-E4« hätte es Detroit Techno in dieser Form nicht gegeben und die Welt würde ein bisschen anders klingen. Nicht die schlechteste Tagesleistung, raunt die atypisch beschäftigte Belegschaft heute, wenn sie mit der Suite das Montagmorgenclosing abschließen. □ Kristoffer Cornils

Marijata
Pat Thomas Introduces Marijata
Academy • 1976 • ab 32.99€
Zur Review
Wer den Blog Voodoo-Funk verfolgt, der hat seit fünf Jahren Anlass, die Reissue von »Pat Thomas introduces Marijata« aus dem Jahre 1976 zu erwarten. Jetzt ist sie endlich da, die Neuauflage eines Albums, das nur so von Power strotzt. Grimmiger Funk, karibische Upfliftment-Vibes und durchaus auch Pop-Allüren. Peace-Zeichen treffen auf geballte Fäuste, Treibenlassen auf vorpreschende musikalische Wucht. □ Philipp Kunze

Ryo Kawasaki
Selected Works 1979 to 1983
Nunorthern Soul • 2016 • ab 10.99€
Der Katalog des japanischen Jazz-Gitarristen Ryo Kawasaki ist länger als die Speisekarte in einem billigen China-Restaurant. Während viele schon verzagen, sich dort für ein Gericht zu entscheiden, haben es die Menschen von NuNorthern Soul geschafft, fünf Tracks aus Kawasakis Schaffen rauszupicken, die seinem Schaffen gerecht werden. Musik, die gleichzeitig hell und dunkel ist, manchmal italo-schund-movie-ost-leichtfüßig dann mit dem Schwermut von Jazz. Will man immer und immer wieder hören. Muss man auch, um dahinter zu steigen. Philipp Kunze

Source Direct
The Crane
Function • 2016 • ab 11.99€
Das Amen Break als vielleicht allerorts stilprägendstes Sample – von Gangsta Rap bis Jungle – unterliegt einem Schweinezyklus: Zuletzt war vor zwei, drei Jahren wieder viel Breakbeat im Techno zu hören, das hat sich jedoch gelegt. Source Direct aber feiern ihr eigenes Comeback und die Neuauflage ihres massiven Bangers »The Crane« von 1996 unterstreicht nur, wie zeitlos diese schnappatmende Panik-Musik von Jim Baker und Phil Aslett, der damals noch Teil des Projekts war, geblieben ist. Knicklichter raus, Apokalypse nach Sonnenuntergang! □ Kristoffer Cornils

Suso Sáiz
Odisea
Music From Memory • 2016 • ab 23.99€
Bei Music From Memory kann man sich darauf verlassen, dass sie sehr geschmackssicher die beste Musiker des jeweiligen Künstlers für ihre Retrospektiven wählen. »Odisea« präsentiert das Werk des spanischen Musik-Vordenkers und Multiinstrumentalisten Suso Saiz. Selten, dass man so wenig denken muss, um die Klänge eines Musik-Denkers genießen zu können. Hier klappt das – weil beim Hören nichts mehr klappen muss. Music For Air ohne Ports. □ Philipp Kunze

TCP
TCP
Disco Halal • 1984 • ab 19.99€
Zur Review
LOLige Funfrage zum Einstieg: Was ist die Schnittmenge zwischen TCP und Tabaluga? Die Antwort: ein Album von Peter Maffay. Der veröffentlichte 1986 ein Album namens »Tabaluga und das leuchtende Schweigen«. Mit an Bord war der amerikanische Musiker Tony Carey. Der hat Poprock produziert und als Planet P Prog-Rock und als TCP… Ja, was eigentlich? Tanzmusik mit östlichen Einflüssen mit Stadionrock-Gitarren vielleicht. Jedenfalls ist das selbstbetitelte Album von 1984 eines, für das man nur schwer einen Vergleich finden kann. Ein außergewöhnliches Werk, außergewöhnlich rar, jetzt wieder zu haben und ganz sicher Teil des nächsten Sets deines Neighbourhood-DJ mit der eklektischen Plattensammlung an einem Donnerstagabend in einer Szenebar near you. Wer’s genauer wissen will: die Liner Notes sind so informativ wie sie unterhaltsam sind! □ Philipp Kunze

The True Underground Sound Of Rome
Secret Doctrine
Male • 2016 • ab 18.99€
Sonnenaufgangsmusik à la Orbital, Klimper-Ambient für den Chill-Out-Room, und vor allem Deep House, Deep House, Deep House. Der Sound von The True Underground Sound Of Rome zieht viele Genre-Register und wirkt auch 25 Jahre später so aktuell wie selten: Solche feinen, wattigen, Streicher-verdickten Sounds gibt es aktuell nur von ewigen Größen zu hören. Eine tolle, multifunktionale und auch auf der häuslichen Couch gut platzierte Wiederentdeckung, die vielleicht sogar DJ Sprinkles ein Lächeln entlocken könnte. Aber wer weiß das schon genau. □ Kristoffer Cornils

Video-Aventures
Camera (In Focus) Camera (Al Riparo)
Megaphone • 2016 • ab 13.44€
Camizole hatte eh schon ziemlich wahnsinnige Musik gemacht, Krautrock halt, den Kopf in den Wolken, die Finger am Synth. 1978 trennte sich die Band. Zwei der Mitglieder, Dominique Grimaud und Monique Alba, blieben zusammen und gründeten Vidéo-Aventures. Noch wahnsinnigere Musik. Die Instrumentals sind völlig meschugge. Entweder trötet es, flimmert, knistert, oder zirpt, Tauben, Züge, auffällig atmende Franzosen, Kunst halt. □ Philipp Kunze

Vivien Goldman
Resolutionary
Staubgold • 2016 • ab 26.99€
Vivien Goldman: Journalistin, Akademikerin, bestangezogene Frau der Welt und zwischen 1979 und 1982 zugleich eine der tollsten Post-Punk-Künstlerinnen in dieser vor Großartigkeit schier platzenden Szene. Ob solo (etwa mit »Launderette«) oder gemeinsam mit Eve Blouin als Duo Chantage trieb sie die Vermählung von bleichem Mittelschichtspunk und jamaikanischen Reggae- und Dub-Sounds voran. Dreist, vulgär und ein bisschen visionär. Das Label Staubgold hat ihr mit »Resolutionary« gebührende Ehre erwiesen. □ Kristoffer Cornils

»Kakashi« ist ein großes Meisterwerk im Konjunktiv. Das Mariah-Mitglied Yasuaki Shimizu schaffte damit 1982 einen ganz eigenen Sound, der zwischen Anime-Jingle, Minimal Music, Jazz und den kuriosen Pop-Interpretationen des landsmännischen Yellow Magic Orchestras changierte. Hätten das doch damals mehr Menschen gehört, würden es doch heute mehr Menschen zum Vorbild nehmen. Dann wäre zumindest eine größere Neuauflage erschienen. Alles Konjunktiv, der Indikativ aber lautet: »Kakashi« ist eine der tollsten Platten der Welt. □ Kristoffer Cornils