»My Latest Epiphany« fragt nach einer Begegnung der besonderen Art, sei sie persönlich, ästhetisch, konstruktiv oder chaotisch – und Künstler antworten. Diesmal haben wir Jay Spaten von Schaufel und Spaten zugehört.
Doz9: Vor Kurzem bin ich mit Torky Tork in den Wald gefahren und habe mit ihm dort innerhalb von drei Tagen ein Album gemacht. In einem Haus mitten im Nirgendwo. Ich hatte das gesamte letzte Jahr über kaum Musik gemacht und mich hat diese musikalische Unproduktivität sehr angekotzt – ich musste einfach mal wieder was aufnehmen! Weil sich aber Fresh Face gerade in unserem Studio einquartiert hatte und ich kurz vor einem Umzug stand, bot sich ein Tapetenwechsel an. Ich habe mich dann daran erinnert, dass eine Freundin ihre Diplomarbeit in einer Waldhütte in der Uckermark geschrieben hat, die ihr irgendwelche Hippie-Freunde empfohlen hatten. Also habe ich mir den Kontakt besorgt und den Hausbesitzern erklärt, dass ich dort gerne Musik machen möchte. Die fanden das auch ganz toll und meinten »Mensch, da haben schon andere Leute Alben aufgenommen. Das Haus hat eine ganz tolle Akustik zum Gitarren-Einspielen.«
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Das Problem war aber, dass der Besitzer gerade kurz davor stand, das Haus längerfristig zu verpachten und dann musste ich mich mit so komischen Yuppie-Eltern aus Berlin-Friedrichsain herumschlagen. Die waren strange drauf und wollten uns das Haus erst gar nicht mehr geben, weshalb ich mir dann irgendwelche Geschichten ausgedacht habe à la »Das Label macht krass Druck, wir haben einen Vorschuss und ich bin vertraglich verpflichtet« und so weiter. Das haben die Gott sei dank geschluckt.»Warmes Wasser kam nur von einem Kessel, den du auch vorher beheizen musstest – das war schon ein bisschen Leben wie im 19.Jahrhundert.«
Doz9
Das Haus selbst war riesengroß und nur mit Kohle oder Holz warm zu kriegen. Warmes Wasser kam nur von einem Kessel, den du auch vorher beheizen musstest – das war schon ein bisschen Leben wie im 19.Jahrhundert. Ich war auch gar nicht so sensibilisiert für den Wald und diese Stille dort. In Berlin bist du ja einem ständigen Lautstärkepegel ausgesetzt. Als wir zwischendurch ein Video in dem Haus gedreht haben, konnte man sogar den Bildstabilisator der Kamera arbeiten hören – so eine Stille ist auch ein bisschen spooky! Für den Arbeitsprozess ist diese Ruhe aber sehr geil, dir bleibt kaum etwas anderes übrig als produktiv zu sein.
Torky Tork hat auch eine sehr eigene Arbeitsweise: Der diggt ja nur von Platte und speichert alles erstmal auf seiner 160 GB-Festplatte die er in seine MPC eingebaut. Wir sind dann entweder zusammen Samples durchgegangen oder haben seine Skizzen überarbeitet. Manchmal habe ich ihm auch Stimmung oder Instrumente beschrieben, die ich für den jeweiligen Song haben wollte. Da gab es auch keinen Grund für schlechte Laune oder kreativen Leerlauf: Wir haben sieben Songs in zweieinhalb Tagen aufgenommen, ganz entspannt.
Zwischendurch haben wir vielleicht mal Backgammon gespielt oder Äxte auf Bäume geworfen, was übrigens unfassbar Spaß macht, Alter. Wir haben es uns einfach gut gehen lassen, haben dick gegrillt und hatten sündhaften Wein dabei: einen 1990er und ein 1985er Jahrgang – zwei richtig krasse, alte Kanonen. Einen haben wir auch dem Yuppie-Pärchen dort gelassen, die sich dafür auch ganz doll bedankt haben und meinten »Ach, ihr seid ja nette Rapper«.
Und nun noch ein Video, in dem Torky Tork und Doz9 über ihre Zusammenarbeit sprechen: