Seit vier Jahren arbeitet Daniel Martin McCormick unter dem Namen Ital an einem Entwurf elektronischer Tanzmusik, der gängige funktionelle Vorstellungen unterläuft. Nach seiner Debüt-EP auf Not Not Fun folgten weitere auf 100% Silk sowie seinem eigenen Label Lovers Rock, zuletzt eine Kollaboration mit Aurora Halal. Auf Planet µ kamen 2012 gleich zwei Alben, die mit ihren seitwärts durch House-Landschaften gleitenden, sample-schwangeren, zuweilen überladenen und eher locker gefügten Spuren einen fiebertraumartigen Sog erzeugten. Nach mehreren ausgedehnten Live-Touren (gerade ist er aus Europa nach Brooklyn zurückgekehrt) und einhergehenden technischen Fortentwicklungen ist dort nun sein drittes Album erschienen, das sich einem weniger epischen Dubtechno zuwendet, der aber immer noch auf spezielle, ominöse Art trippy ist. Fast könnte man darüber vergessen, dass Daniel Martin McCormicks Ursprünge ganz woanders liegen – er war und ist nämlich auch Sänger und Gitarrist der Post-Hardcore-Band Mi Ami.
Im Presseinfo zu deinem neuen Album ist davon die Rede, dass es von »apokalyptischen« Richtungen minimalistischer Komposition und der »gespenstischen Kulturnivellierung der Post-Globalisierungsphase« inspiriert sei. Was meinst du damit?
Ital: Das Apokalyptische hat für mich große Bedeutung. Die Welt ist einem Zustand des totalen Zusammenbruchs und als Künstler hast du keine Zeit, es dabei zu belassen, einfach nur einen schicken Groove zu loopen. Von allen Seiten flüstert es uns ins Ohr, wir sollen unser komplettes Leben via Smartphone abwickeln, als einer von vielen kleinen Konsumenten, und das erstreckt sich auch auf die Welt der Tanzmusik, wo es oft nur darum geht, das Publikum in eine Herde bedröhnter Hänger zu verwandeln. Auf Produzenten gibt es diesen unterschwelligen, kaum greifbaren Druck, sich anzupassen. Woran? Das ist jeden Tag anders. Ich hab viele spannende Künstler gesehen, die da hineingezogen wurden, »richtigen« Techno, »richtigen« Deep House oder was auch immer zu machen. Zum Teil ist es das, was ich mit kultureller Nivellierung meine. Man sieht das in großem Maßstab darin, wie in jeder Stadt das Gentrifikationsprinzip wirkt und in einer Gesellschaft die feinen Unterschiede abgeschliffen werden, sich Orte allmählich überall gleich anfühlen. Das geschieht auch in der Musik. Was apokalyptischen Minimalismus angeht… ach, manche Minimal Music hat einfach eine apokalyptische Ader, die mir sehr gut gefällt.
Der traumartig driftenden, unberechenbaren Charakter deiner Musik hat ja etwas »Hypnagogisches«. Halbwache Zustände, Traumwelten, Schlaf, Ruhelosigkeit sind Momente, die man in Musik aus New York City immer wieder vorfindet, vor einigen Jahren bei DJ Olive und seinen Schlaf-Parties oder dem Ambient von Sawako, aber auch in der rhythmischen Electronica von Machinedrum, FaltyDL, Laurel Halo oder Mark van Hoen. Hat das etwas mit der dauerhaften Getriebenheit zu tun, die das teure Leben in New York City mit sich bringt?
Ital: Bei diesen hypnagogischen Sachen ging es mehr um den Umgang mit vagen Erinnerungen an verschüttete Musiken und um Reorientierung des Vertrauten. Die Musik, die sich aus der Ariel Pink-/James Ferraro-Achse entwickelte, arbeitete oft mit sprödem Lo-fi-Klang, um ihre eigene Vergänglichkeit ins Licht zu rücken, so als würde man ihr beim Zerfallen zuhören. Hypnogigc-Pop konnte recht verträumt oder schläfrig sein, aber die spannendsten Künstler, die sich mit diesen Ideen beschäftigt haben – Actress, Burial und J Dilla – reißen mit.
Im Werk der von dir genannten Künstler kenne ich mich nicht so gut aus, bis auf Laurel Halo die ich schon immer außergewöhnlich fand. Das ist eine Künstlerin, der es darum geht, ihre ganz eigene Klangsprache zu entwerfen (und ich würde ihre Musik nie zum Einschlafen hören). Das ist eine tief verwurzelte New Yorker Tradition, die sich durch Punk, No Wave, Hip Hop erstreckt. All den großen Künstlern und Genres, die hier aufkamen, ging es um Innovation und Experiment, Ideen die mich viel mehr interessieren als »Clubtauglichkeit«.
Vor drei Jahren hast du in einem Interview davon gesprochen, dass du dein musikalisches Umfeld von amerikanischen Produzenten elektronischer Musik in einer Übergangsphase vermutest, das sich in etabliertere Bereiche von Kopfmusik und »europäischerem« Clubformat aufspalten würde. Nun ist FaltyDL etwa mit seinem neuen Album »In The Wild« von der Dance-Landkarte gesprungen, »Endgame« dagegen ist schlanker, fokussierter, zeigt deine Liveerfahrung in Clubs. Heißt das, es ist so gekommen, wie du dachtest?»Das Apokalyptische hat für mich große Bedeutung. Die Welt ist einem Zustand des totalen Zusammenbruchs und als Künstler hast du keine Zeit, es dabei zu belassen, einfach nur einen schicken Groove zu loopen.«
Ital
Ital: Ich spiele Musik am liebsten im Club, weil das Publikum sehr offen sein kann, und man den Raum hat, sich zu entfalten und Magie zu erzeugen. Ich habe etwas gegen Dichotomien wie Clubmusik versus Kopfmusik, weil sie sich mit meiner Erfahrung eigentlich nicht decken. Ich hab Leute schon auf alles Mögliche abgehen sehen; die besten Waffen eines DJs im Club sind eine expressive, offene Herangehensweise und dramatisches, umhauendes Timing. Wenn ich einen Track mag, merke ich, dass ich die Augen schließe und nicke, als würden die Klänge in meinem Kopf herumschwimmen. Joey Anderson sagt, dass die Stücke, zu denen er am liebsten tanzt, so eine kopfige Augen-zu-Qualität haben. Selbst bei super wilden Drum&Bass- oder Jungle-Tracks können bestimmte Flächen oder Halftime-Basslines diese drogige Hypnose auslösen. Ich sehe da keine Trennung. Wie sich die US-Szene in den letzten drei Jahren entwickelt hat? Die Leute machen ihr Ding und haben Erfolg, das ist toll. Die Künstler haben sich entwickelt, und die Clubs und Labels mit ihnen.
Du bist inzwischen auf Hardware umgestiegen, hast zuvor aber viel mit einer Freeware namens »Audacity« gearbeitet, bei der man vieles zu Fuß erledigen muss und die keinen Echtzeitzugriff erlaubt, was deiner Musik aber auch einen besonderen Charakter verliehen hat. Für jemanden mit deinem sehr direkten musikalischen Hintergrund in einer Post-Hardcore-Band wie Mi Ami muss das eine große Umstellung gewesen sein. Bist du als Komponist froh, wieder direkter operieren zu können, oder vermisst du nun etwas?
Ital:* Ich vermisse nur die Musik, die ich noch nicht gemacht habe. »Audacity« war eine Zeitlang gut, aber insgesamt bin ich viel glücklicher mit Hardware, wo ich spontan eingreifen kann. Aber die Limits von Geräten versus Computer sind kein sehr knackiges Thema… Das Spielfeld, das ich mir mit »Audacity« geschaffen hatte, war ein sehr persönliches, als Programm würde ich es aber nie jemandem empfehlen. Ich würde immer raten, sich seine eigenen Regeln zu schaffen. Arbeitsweise, Sound, Haltung, Visuals, Titel… all diese Dinge gehen ineinander über; egal was du dir auswählst, es wird dein Produkt beeinflussen, darum ist es entscheidend, dass du dir eine Arbeitsumgebung schaffst, in der du dich inspiriert fühlst. Wenn du die hast, ergibt sich alles andere.
Letztes Jahr erschien von dir auch eine gemeinsame EP mit Jamal Moss aka Hieroglyphic Being. Du hast erwähnt, dass ihr euch bei der Zusammenarbeit nicht immer einig wart. Was genau war schwierig?
Ital: Mit Jamal Moss zu arbeiten war ein Highlight, er ist eine Naturgewalt, ein echter Visionär. – Eine gute Zusammenarbeit läuft meist nicht ohne Herausforderungen und Schwierigkeiten ab. Eine Sache, die mir bei der Arbeit mit anderen Produzenten aufgefallen ist, ist, dass es Leuten, mich eingeschlossen, ziemlich schwer fällt, zu artikulieren, was sie von ihrem Gegenüber wollen oder auch die Feinheiten ihres Setups oder ihrer Vision zu erklären. Das Produzieren ist eine sehr private Welt und oft sehr intuitiv. Wenn du es hast, dann merkst du das und den Rest der Zeit fühlst du dich immer ein wenig verloren. Das ist völlig in Ordnung, wenn du alleine bist. Intuition in Worte zu fassen ist allerdings verteufelt schwierig, aber gleichzeitig auch so wichtig, und zudem erfordert es Aufwand, Vertrauen herzustellen.