Aigner: Wie schön das ist, dass wir eine Sprechstunde aus dem Paralleluniversum Feiertagskokon machen. Ich fühle mich komplett unfähig in irgendeiner Form kredibel geil zu klingen.
Kunze: Ja, ich fühle mich auch mehr danach, in Bäumekletter-Nostalgie zu verfallen und an einer Decke zu knabbern, während wir »alte Schinken« (so sagt Mama zu Hitmovies aus ihrer Zeit) gucken und Farny trinken.
Aigner: Ich habe heute viermal gegessen, war spazieren laufen und habe festgestellt, dass im Tante Emma Laden um die Ecke über der Tür immer noch »Kolonialwaren« steht. Ich weiß nicht, wie wir da jetzt kosmopolitisch Pharrells Larger-Than-Alles-Ness angehen sollen!
Kunze: Vielleicht beginnen wir dann einfach mit Pharrell, wie er bei Oprah weint Dann haben wir das allgemeine Zugang-Zum-Inneren-Kind-Level gefunden.
Aigner: Finde ich fair.
Kunze: Das sollte es uns doch einfach machen: Öffentlich weinen können, aber dann darüber reden, mit x Frauen nackt Yoga zu machen.
Aigner: Ein Typ wie du.
Kunze: Haha.
Aigner: Lass mal Musik hören jetzt.»Er will immer noch so klingen wie der kleine kecke Junge mit dem Skateboard, der die MILFs reihenweise schwach werden lässt. Dabei redet er im echten Leben längst mit denen, also den MILFs, über Gesichtsstraffungs-Cremes.«
Philipp Kunze
Kunze: Okay, »Marilyn Monroe« klingt direkt wie »In My Mind« mit noch mehr Bock auf Schnulzigkeit und Radio.
Aigner: Joa, der Track ist halt eigentlich ganz OK. Disco-Bassline knackt. Falsett-Pharrell kann ich immer mit.
Kunze: Ich hasse Geigen.
Aigner: Boah, ne, da bin ich zu Franzosen-90s-Rap abgehärtet. Aber ein wichtiger Satz.
Kunze: Muss man mich eigentlich psychologisch analysieren, weil ich Pharrells Flüster-Stöhn-Adlibs attraktiv finde? Wobei ich Pharrell Williams übrigens sowieso irgendwie geschlechtslos wahrnehme. Pharrell Williams ist mehr so ein kleiner spielender Junge – da würde ich sagen: komm Mädchen, wenn‘s unbedingt sein muss, hol‘ dir die Pharrell-Erfahrung. Der tut keinem weh. Das passt doch auch irgendwie zu seiner Musik. HA!!
Aigner: Ich kann dem nichts, aber gar nichts mehr hinzufügen. Puh, und jetzt Justin Timberlake. Ich habe Traumata davon wie die Kleinstadt-Golfs alle nur noch »Señorita« an der Eisdiele gepumpt haben, in diesen völlig unironisch zu kleinen Tanktops.
Kunze: »Brand New« ist echt Dudelpop für Fitnessdudes, die nach dem Training weißhemdig Cocktails schlürfen gehen.
Aigner Ja! »Señorita 2014«. Weg mit. Ganz schnell. Das ist so der offizielle Themesong für Tripper. Und »Hunter« ist halt so Prince ohne Sex. Wahrscheinlich hast du recht, dass Pharrell zumindest seit 2005 nicht mehr sexy war.
Kunze: Danke. Er bemüht sich aber direkt um den Gegenbeweis und sagt: »Make the pussy just gush«. Was ist to gush? Schrecklicher Verdacht: Es ist das englische Verb für Vaginalpupsen. Steht Pharrell auf Muschifürze? Oh Gott, schade, dass wir das rausnehmen müssen.
Aigner: Ach, kannst du doch drin lassen.
Kunze: Und wenn man diesen Verdacht jetzt mit den folgenden Zeilen (»you wanna get dirty girl, light dat ass on fire«) paart… Man, man, man: college humor. Ich bin tatsächlich auf Elternbesuch. Sorry Kolumne, sorry. Aber, was Pharrell hier abzieht, lässt auch kein anderes Level zu. – Er will immer noch so klingen wie der kleine kecke Junge mit dem Skateboard, der die MILFs reihenweise schwach werden lässt. Dabei redet er im echten Leben längst mit denen, also den MILFs, über Gesichtsstraffungs-Cremes
Aigner: Das ist halt schon ein Problem: »Frontin« war schon vor 8 Jahren grenzwertig schmierig, das ist jetzt halt auch noch redundant. Jetzt »Happy«. Ich hasse »Happy«. Jeder sollte »Happy« hassen. Hasst du »Happy«?»Der nächste Track klingt jetzt ein bisschen so, als hätten Bro‘Sis Sebastien Tellier gecovert.«
Florian Aigner
Kunze: Ich dachte, du hasst »Happy« nicht?! Jeder sollte »Happy« hassen, der nicht Klangkarussel für Techno und Mumford & Sons für Folk hält. Wenn man alle, die in so einem »Happy«-Video getanzt haben, in Pharrell Williams‘ Gandalfhut stecken würde, um drauf zu schlagen, ich glaube kaum, dass ich im Nachhinein mitfühlend blaue Flecken verarzten würde.
Aigner: Ja, »Happy« ist das beste Barometer für die schiere Unfunkiness of se Caucasian army. Und wenn dazu dann so UGG-Boots-Zahnarztherlferinnen versuchen den Mia-Wallace-Move zu machen… ey, das tut so toll weh.
Kunze: Son-Goku-Boots liebe Leser. Das Schlimmste nach weißen Stiefel bis zur Kniekehle.
Aigner: Seien wir ehrlich: Wir werden das Album am Ende restlos zerpflückt haben. Der nächste Track klingt jetzt ein bisschen so, als hätten Bro‘Sis Sebastien Tellier gecovert.
Kunze: Hahaha, jahahahaha!
AIgner: Scheiße, ich merke gerade, dass ich viel zu lieb zu ihm war in der Inventur Meine Fresse, ist das ekelhaft steril alles. Und »Lost Queen« klingt wie »König der Löwen«.
Kunze: Den können die ganzen 26jährigen Mädchen abfeiern, die immer noch denken, Nostalgie wäre das Coolste überhaupt und bei jeder Gelegenheit beteuern, dass »Der König der Löwen« ihr Lieblingsfilm sei. Das ist echt Musik für einfach zu definierende Menschen. Wenn ich Kulturpessimisten füttern wollte, würde ich ihnen »Girl« hinschmeißen. Aber direkt als Hauptspeise. Und erst um Nachttisch kriegen sie »Zirkus Halligalli«.
Aigner: Ich habe nie ein Macklemore-Album gehört, aber selbst das hat wahrscheinlich mehr Kanten. Mir tut das echt weh. Bei der Inventur wollte ich das noch nicht einsehen, weil Pharrell ja »When The Last Time« gemacht hat und überhaupt…
Kunze: Jep, guck dir das mal an: »Girl« könnte von » When The Last Time« nicht weiter entfernt sein. Das sagt schon alles.
Aigner: Ich finde tatsächlich 10 von 10 Tracks kacke.
Kunze: Das Album ist echt so bedeutungslos, dass sich jede Tätigkeit, die man danach anfängt, anfühlen wird, als wäre sie randvoll mit Sinn gefüllt. Scrabbeln mit den Eltern wird gleich revolutionary and gangster.