El-P – Schippe obendrauf

13.06.2012
Foto:Timothy Saccenti
Rap-Legende El-P ist zurück mit seinem ersten Album seit fünf Jahren. Seit dem ist einiges passiert: Def Jux gibt’s nicht mehr und El-P macht weiter wie bisher, produziert für Rakaa Iriscience bis Killer Mike und schraubt an eigenen Songs.

Direkt vorweg: Rap-Legenden-Status hat sich El-P hart erarbeitet, auch wenn er nicht Dr. Dre oder J Dilla ist. Er hat als CEO und Gründer von Definitive Jux zehn Jahre lang das Aushängeschild für anspruchsvolle und innovative Rapmusik geführt. Als Mitglied von Company Flow hat er auch noch einen Teil von dieser Musik erfunden. Und als ob das nicht reichen würde, hat er danach »Abstract Rap« (wie man so schön sagt) mit seinen Projekten noch mal eine Stufe höher katapultiert. Hier sei natürlich zuerst erinnert an Cannibal Ox’ »The Cold Vein«, das er produziert und sicher eines der besten Rapalben der Neuzeit ist. Das ist lange her und seitdem bewegt sich der als Jaime Maline geborene New Yorker trotz Anti-Adoniskörper leichtfüßig zwischen den Küsten, produziert für Rakaa Iriscience oder kreuzt mit Redneck-Schnurrbart und Knarre als Feature-Gast bei Newcomer Mr Muthafuckin eXquire auf.

Nun aber sein neues Album »C4C (Cancer for Cure)«. Wie erwartet, zeichnet sich die LP vor allem durch gewaltige Vielseitigkeit aus. »Ich höre rund um die Uhr alle Arten von Musik. Ich glaube, es ist wichtig, für einen Produzenten, zu jeder Zeit so viel unterschiedliche Musik im Kopf zu haben wie möglich. So entgeht man der Gefahr, sich in irgendeiner Richtung festzufahren«, erzählt der New Yorker im Interview. Was die Unterschiede zu den letzten Alben sind, soll der Hörer selber herausfinden: »Ich bin viel zu nah dran an meinem Material, um das noch zu wissen.« Um es kurz zu machen: So groß sind die Unterschiede nicht. In der Kritik wird »C4C« teilweise schon gefeiert, wie das nächste »Funcrusher«, aber selbst nüchtern betrachtet hat El-P hier etwas zusammengeschustert, dass am Ende des Jahres ganz oben stehen könnte in den Rückblicken. Seit »Fantastic Damage« sind zwar elf Jahre vergangen, aber trotzdem hat man das Gefühl, der Typ macht einfach da weiter, wo er damals aufgehört hat. Allein das erste Lied, »Request Denied«, ist so typisch El-P, dass man als sein Anhänger am liebsten an die Decke springen würde, auch wenn der fast schon in Drum’n’Bass-Tempo reinfliegende Beat den Hörer erstmal wegbügelt. Aber wenn dann nach zwei Minuten die ersten Jazz-Samples reinkommen und der 37-jährige nach drei Minuten endlich ans Mikrofon geht, dann weiß man, was einem gefehlt hat, seit man das letzte Mal »Lazerfaces Warning« gehört hat. Auf die Frage, ob er sich als einziger Künstler sieht, der überhaupt noch Def Jux-typischen Sound bringt, gibt sich El-Producto beinah schnippisch: »Ich würde mal behaupten, ich bin der einzige, der meinen Sound bringt.« Man könnte den Eindruck bekommen, dass es ihm fast auf die Nerven geht, dass er nach dem offiziellen Niedergang des Labelbetriebs trotzdem noch so oft danach gefragt wird. Aber immerhin ist er glücklich, dass er jetzt keine Geschäfte mehr leiten muss. »Es ist großartig. Ich muss mir nicht mehr ständig den Kopf zerbrechen und kann nachts ruhig schlafen. Ob Def Jux gescheitert ist? In gewisser Weise schon, aber man muss auch sagen: Wir hatten einen guten Run und es wurde einfach Zeit, was anderes zu machen.«

»Es geht um Leben, Tod und darum, in einer verrückten Welt bei gesundem Verstand zu bleiben.«

El-P
Nun sind seine Künstler über Ami-Land verteilt und er selbst bringt mit der neuen Scheibe einen Sound, wie aus den besten Def Jux-Zeiten. Mit feinen Unterschieden. Denn es wäre unfair, dem Mann eine Entwicklung abzusprechen. Besonders auf der Rap-Ebene hat er gewaltige Fortschritte gemacht. Als Hörer, dessen Muttersprache nicht Englisch ist, konnte man sich bei El-P bisher wörtlich gesehen auf viele seiner Raps keinen Reim machen. Von den Inhalten ganz zu schweigen. Aber als MC hat er sich erstaunlich weiterentwickelt und bringt einen runderen Reimflow, ohne zuviel von seinem Durcheinander aufzugeben. Und das kommt auch dem Sound zu Gute, der sich viel ungestörter entfalten kann. Inhaltlich bleiben typisch nihilistische Elemente bestehen, die man aus der Vergangenheit kennt und die El-P folgendermaßen beschreibt: »Es geht um Leben, Tod und darum, in einer verrückten Welt bei gesundem Verstand zu bleiben.« Das Übliche also. Getragen werden Paranoia und düstere Zukunftsvisionen von pumpenden Synthbässen und unzähligen Jazz- und Hip-Hop-Versatzstücken. Für El-P eigentlich eher untypisch sind auch Rap-Vocalsamples als wesentlicher Bestandteil von Hooklines vertreten, wie zum Beispiel auf »The Full Retard«, wo als Hommage der verstorbene Freund und Kollege Camu Tao sein Sample bekommt. Nur für die Akte: Als Featuregäste holt El-P noch ein paar »Freunde, die er großartig findet« ins Boot. Sie geben dem ohnehin schon deftigen Album noch eine zusätzlich Würze. So ist »Oh Hail No« mit Danny Brown und Mr Muthafuckin eXquire schon jetzt ganz oben in den Beliebtheitslisten diverser Streaming-Services.
Insgesamt erfüllt El-P mit »C4C« wahrscheinlich mehr Erwartungen, als überhaupt dagewesen sind. Einerseits bringt er seinen Sound, andererseits legt er an nicht unwesentlichen Stellen noch eine Schippe drauf und produziert, rappt und gastgebert ein rundum starkes Album zusammen. Unter diesen Umständen ist es auch nicht schlimm, dass es nicht auf Def Jux erscheint.