Ach, ist die Hipster-Symbolik – überall diese Dreiecke – jetzt auch in den Proberäumen der britischen Unibands angekommen? Bei der jungen Band, die sich alt-J nennt und auf »An Awesome Wave« einen wirklich tollen neuen Folk spielt, ist die Indie-Zeichensprache allerdings auf die Metaebene genommen und sogar ein bisschen lustig gebrochen worden. alt-J sind nämlich vor allem eine kluge Band. Auf Pressefotos sieht man sie in steifen, abstrakten Posen – man kennt das aus der Krautrock-Ästhetik oder von Kraftwerk – oder ganz einfach von hinten. Das Kürzel alt-J kennt man hingegen bestenfalls von seiner eigenen Tastatur her und wenn man es auf einem bestimmten Typ (Macbook, englisch) drückt, bekommt man das Hipster-Dreieck alias Delta-Symbol (∆) alias den eigentlichen Namen dieser jungen britischen Band, die gerade von all denen gehört wird, die etwas auf ihren guten Musikgeschmack geben.
alt-J haben somit ganz gut verstanden, wer überhaupt als Hörer ihrer Musik infrage kommt: Junge und mittelalte geschmäcklerische Kids, die ein Macbook besitzen und in dem ∆ die Referenz erkennen. Für was das Dreieck genau steht, weiß natürlich kein Mensch. Ist aber auch vollkommen egal, es ist ein bisschen so, als gelte den Musik-Hipstern das Symbol als Leerstelle für all die düsteren, euphorischen, unsagbaren Dinge, die man durch Musik (und ganz generell im Leben) so empfindet. Von daher ist es den alt-Js wohl gar nicht so unernst mit den Dreiecken. Zitat aus ihrem Song »Tesselate«: »Triangles are my favourite shape«.
Der etwas ungewöhnliche Name scheint auch ein wenig Platzhalter für die absolut normale Bandbiographie zu sein. Man lernte sich standardmäßig in Leeds an der Uni kennen, wechselte dann ein paar mal Namen, Stil und Formation und schloss sich, um ein Album aufzunehmen, in einen Keller in Cambridge ein. Entdeckt wurden die vier Jungs dann auch ganz standesgemäß von der sogenannten Blogosphäre; dort hörte man vor allem den Song »Matilda«, an dem gleich die interessanten Stimmexperimente auffielen. Ob der omnipräsenten Internetpräsenz nicht weiter verwunderlich: In Großbritannien sind alt-J letzte Woche dann direkt in die Top 20 der Albumcharts eingestiegen.
alt-J sind also doch keine weitere, einfache Indieband, dafür ist ihr Songwriting zu ausgefeilt, dafür kombinieren sie zu geschickt das beste aus den Fleet Foxes, Foals, Bon Iver und James Blake
Ihr für ein Debütalbum viel zu vollkommenes Debütalbum heißt »An Awesome Wave« (das Dreieck als Soundwelle). Man hört den Songs an, dass da ewig dran gefeilt wurde und das Einzige, was ein klein wenig sauer aufstößt, ist, dass alles zu perfekt klingt (man erinnert sich unweigerlich an The xx). Natürlich ist das ein totaler Quatsch, sich darüber zu beschweren, dass alles zu gut ist, aber es gibt eben immer mehr gute, kluge Bands, gegen die man eigentlich nichts einwenden kann. Außer, dass es eben zu viele von ihnen gibt.
Doch wenn sich der warme, dahin näselnde Folk-Gesang über den am Computer und während unzähliger Proben berechneten, eklektischen Grundsound legt, dann ist es der Band alt-J hier tatsächlich gelungen, nochmal mit etwas Neuem anzukommen, das man gerne und immer wieder hören mag. alt-J sind also doch keine weitere, einfache Indieband, dafür ist ihr Songwriting zu ausgefeilt, dafür kombinieren sie zu geschickt das beste aus den Fleet Foxes, Foals und natürlich auch ein bisschen Bon Iver und James Blake. Die Songs fließen mehr in- und auseinander als dass es einfache Popsongs wären. Die ausgedehnten Instrumentalparts sorgen wie bei »Ms« und »Taro« gar regelmäßig für Glücksschübe. Trotz alledem sind die Songs eingängig und immer wieder überrascht die mit Hall versehene, jammernd-schöne Folkstimme von Frontman Joe Newman. Der letzte Song des Albums, »Hand-made«, der einzige astreine Folksong, stellt vielleicht ein bisschen klar, in welcher Tradition man sich am ehesten sieht. Ansonsten gehen alt-J nach der heute schon altbewährten Methode: das Beste aus allem vor.
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Die Jungs scheinen übrigens nicht nur Freunde der, ähem, Hipsterästhetik, sondern auch große Filmfreunde zu sein. Zumindest lassen einige Songtitel darauf schließen. »M∆tilda« (natürlich mit Δ) spielt auf Luc Bessons Leon an und die Besungene wäre in dem Fall die 13-jährige Nathalie Portman! Was nun das kryptische Hipsterdreieck mit dem Folktum der Musik zu tun hat, bleibt allerdings im Unklaren. Vielleicht mögen die Jungs das Dreieck einfach daher so gern, weil es ihrer Musik so ähnlich ist: makellos.