Onra ist in den letzten Jahren als Beatbastler mit unterschiedlichen Konzeptalben rund um HipHop, Soul und Funk zu einem bekannten Namen in der Szene geworden. 2006 veröffentlichte Arnaud Bernard zusammen mit Quetzal sein Debüt-Album Tribute, im November wird es nun das erste Mal auf Vinyl veröffentlicht. Seitdem hat der Franzose sowohl asiatische Platten für Chinoiseries gesamplet, dessen zweiter Teil Chinoiseries Pt. 2 ebenfalls im November erscheint, als auch die Pop-Welt der 1980er Jahre musikalisch erforscht. Dabei zeichnen seine Tracks sich durch eine Musikalität und Vielseitigkeit aus, die weit über einfache HipHop-Sample-Beats hinausgeht und immer wieder zu überraschen weiß. Wir trafen ihn in Berlin zu seinem Auftritt im Club Gretchen.
Du hast mittlerweile einige Konzept-Alben gemacht. Wie gehst du an einen neuen Song oder ein neues Album heran? Steht das Konzept bereits oder entwickelt es sich erst während der Arbeit?
Onra: Ich habe die unterschiedlichen Konzepte bereits im Kopf. Abhängig davon, welchen Song ich gerade mache, weiß ich bereits, zu welchem Projekt er gehört. Es ist natürlich auch von meiner aktuellen Stimmung und meinem Zeitplan abhängig, welchen Projekten ich mich dann genau widme. Im Moment arbeite ich parallel an unterschiedlichen Sachen und da gibt es gerade keine bestimmte Priorität. Das gibt einem aber auch eine gewisse Freiheit und Experimentierfreude.
Zu deiner aktuellen Platte Chinoiseries Pt. 2, die im November herauskommt. Wie ist das Konzept zustandegekommen und wie kam es zu einer Fortsetzung davon?
Onra: Chinoiseries ist ein Projekt, dass ich nach meinem ersten Besuch in Vietnam vor einigen Jahren begonnen habe. Von dort habe ich viele Platten mit chinesischer und vietnamesischer Musik mitgebracht. Zurück in Frankreich habe ich darin viele Samples gefunden, die ich interessant fand und bei denen ich sofort das Gefühl hatte, dass ich sie für ein paar Beats verwenden könnte. Es begann sozusagen als kleiner Witz, aber die Leute mochten die Sachen und als das Album herauskam, bekam es viel Aufmerksamkeit, weil es einfach anders und neu klingt. Nach fast fünf Jahren seit Veröffentlichung der ersten Platte habe ich mich entschieden, das Projekt fortzusetzen, da mir in der Zwischenzeit nichts anderes begegnet ist, was in diese Richtung geht. Ich wurde oft nach neuem Material gefragt und bisher gab es nur diese eine Platte. Außerdem hatte ich in der Zwischenzeit einige neue asiatische Platten gekauft und viele großartige Samples gesammelt. Ich habe ungefähr 60-70 Beats gebastelt und davon dann 32 für Chinoiseries Pt. 2 ausgesucht, um dem ganzen die Struktur eines Films zu geben, wo jeder Beat eine Szene repräsentiert und sich ein innerer Spannungsbogen ergibt.
Wo wir gerade über die Struktur sprechen, manchmal fühlen sich deine Platten fast wie eine Art Skizzenbuch an, mit meist über 30 Tracks, die selten länger als zwei Minuten sind. Was verleitet dich zu dieser Struktur?»Ich will vermeiden, dass es repetetiv und dadurch langweilig wird. Ich möchte, dass die Leute sich mein Album von Anfang bis Ende anhören und sich nicht bloß ihre Lieblingsbeats raussuchen.«
Onra
Onra: Das liegt an dem Genre. Es ist Hip Hop, also gibt es natürlich einen Loop, der aus bereits existierenden Samples besteht. Bei Chinoiseries und Tribute hatte ich gerade angefangen, Beats zu basteln und fand, dass diese Form gut dazu passte. Trotzdem haben die Tracks eine eigene Struktur, es gibt immer ein Intro, ein Outro, Breaks, unterschiedliche Entwicklungen, aber eben in einer sehr verdichteten, kurzen Form, um die Zuhörer bei Laune zu halten. Ich will vermeiden, dass es repetetiv und dadurch langweilig wird. Ich möchte, dass die Leute sich mein Album von Anfang bis Ende anhören und sich nicht bloß ihre Lieblingsbeats raussuchen. Genau wie bei einem Film auf DVD, wo man sich ja auch das ganze Werk anschaut und nicht bloß bestimmte Szenen. Ich weiß nicht ob die Filmstruktur bei Chinoiseries Pt.2 so eindeutig ist, ich hätte es vielleicht etwas offensichtlicher gestalten können, aber das ist zumindest die Idee, die dahinter steckt.
In deiner Musik erkennt man viele unterschiedliche Einflüsse, sei es Hip Hop, Funk oder Soul. Wo liegen deine musikalischen Wurzeln?
Onra: Bei mir kommt alles vom Hip Hop. Ich bin jetzt 30 und es ist zwanzig Jahre her seit ich begonnen habe, Hip Hop zu hören. Im Alter zwischen 10 und 20 habe ich nur Hip Hop gehört, nichts anderes. Kein Soul, kein Funk, kein Jazz. Das alles kam erst später, als ich nach Paris gezogen bin und in die richtigen Plattenshops gegangen bin und einen Internetanschluss bekommen habe. Dadurch habe ich einige DJs und andere Produzenten kennengelernt, die meinen musikalischen Horizont erweitert haben. Sie haben Samples aus unterschiedlichen Songs und Genres verwendet und dadurch habe ich neue Musik entdeckt. Mittlerweile bin ich sehr offen für unterschiedliche Musikstile, aber für mich hat alles beim HipHop angefangen und ist davon auf jeden Fall immer beeinflusst.
Dein Debüt-Album Tribute mit Quetzal wird jetzt ja zum ersten Mal auf Vinyl veröffentlicht. Wie fühlt es sich an, die Tracks jetzt einige Jahre später noch einmal zu hören?
Onra: Leider habe ich Tribute selbst noch nicht von Platte gehört. Aber Quetzal und ich sind sehr zufrieden, dass es jetzt doch noch auf Vinyl veröffentlicht wird, damit gibt es nun unsere gesamten Discographien komplett auf Platte. Wenn ich mir Tribute anhöre, versetzt mich das irgendwie in die Zeit vor fünf Jahren zurück, als wir mit dem Projekt begonnen haben. Es war eigentlich nur für unseren kleinen Freundeskreis gedacht. Wir haben uns dann einfach zusammengesetzt, um ein Cover zu entwerfen, wir sind beide keine begabten Grafikdesigner, Quetzal hatte zu der Zeit noch nicht einmal einen Computer. Schließlich haben wir das bunte Artwork mit Microsoft Paint entworfen (lacht). Wir haben uns einfach einen Spaß daraus gemacht und wollten vielleicht 50 Kopien pressen lassen und selbst im Freundeskreis verkaufen und dann wurde es bei Bo Bun Records ganz offiziell auf CD veröffentlicht.
Ihr habt also einfach herumexperimentiert und es hat sich so ergeben. Ich habe gelesen, dass dein Track The Anthem von Chinoiseries ja auch überraschenderweise von Coca Cola für einen Werbeclip zu den Olympischen spielen in Beijing verwendet wurde.
Onra: Nicht wirklich. Sie mochten die Mischung von asiatischen Samples und westlichem Hip Hop, haben meinen Song aber dann einfach kopiert und daraus einen eigenen Beat gemacht. Sie haben sich also nur von The Anthem inspirieren lassen. Wir konnten nämlich die Rechte für das vorhandene Sample nicht klären, da es von einer alten chinesischen Platte aus den 1970er Jahren stammt und wir den aktuellen Rechteinhaber nicht herausfinden konnten. Und da haben sie dann einfach den Song selbst nachgebaut und das wars.
Was können wir denn in Zukunft von dir erwarten? Mehr Miami Vice-inspirierten 80er-Jahre-Sound?
Onra: Das werde ich natürlich weiterverfolgen. Seit Long Distance letztes Jahr herausgekommen ist sehe ich, wie viele Menschen sich davon inspirieren lassen. Seitdem habe ich bei vielen anderen Künstlern ähnliche 80s-Samples gehört, ich muss aber einfach sichergehen, dass es auch genau mein Ding ist und ich das auch persönlich machen will. Darüber hinaus habe ich auch ein Dub-Projekt, ein Deep House-Projekt und ein paar Kollaborationen mit unterschiedlichen Künstlern geplant, für die ich gerade einfach nur ausreichend Zeit brauche. Ich bin sehr beschäftigt und fast jedes Wochenende auf Reisen und da muss man seine Zeit schon bewusst einteilen.