Ganze 30 Jahre hat sich Charles Peterson, der Hausfotograf des Grunge, Zeit gelassen für einen Bildband über Nirvana; die Band, die in sechs knappen Jahren ihres Bestehens mit nur fünf Alben die Rock-Welt für immer veränderte. An Energie, Wucht und Unmittelbarkeit haben Petersons Schwarz-Weiß-Fotos, die zwischen Februar 1989 und August 1993 entstanden, in diesen drei Jahrzehnten nichts eingebüßt – ganz im Gegenteil: Man meint nicht nur die wummernden Basslines von Krist Novoselic, die kreischenden Gitarren und markerschütternden Schreie von Kurt Cobain zu hören, wenn man diese Aufnahmen sieht, sondern auch den Schweiß und den Bierdunst, den kalten Rauch und das Testosteron des überwiegend männlichen Publikums zu riechen.
Einfühlen ins Seattle der 90er
Das Dutzend Live-Shows, das hier dokumentiert ist, zeigt wie nah dran an Band und Stage Divern Peterson mit seiner Kamera war. Teils verwackelt trotz Blitz oder wegen langer Belichtungszeiten kann man mit diesen Bildern einer der wichtigsten Perioden der Rock-Geschichte nachspüren, für die man leider zu jung (falls überhaupt schon geboren) und eben auch nicht in Seattle war. Auffällig ist, dass die Drummer Chad Channing und Dave Grohl recht selten abgebildet sind – was wohl auch an der schlechteren Beleuchtung hinter den Drumkits und der Becken, die wohl oft im Weg waren, liegen mag – und dass weder im Vorwort von Krist Novoselic noch in Petersons Nachwort Courtney Love auch nur ein Mal erwähnt wird; lediglich auf einem Foto ist sie abgebildet. Zum Einen verdeutlicht das, wie (gelinde gesagt) ambivalent das Verhältnis des verbliebenen Band-Umfelds zu ihr noch immer zu sein scheint, und zum Anderen, wie übertrieben maskulin die Grunge-Szene doch war – woran nicht zuletzt Kurt Cobain selbst verzweifelte.
Nirvana