Es war eine kleine Sensation, als Les Disques Bongo Joe im Jahr 2018 zwei Stücke von Les Abranis neu auflegte. Die frühen Veröffentlichungen der algerischen Band sind selbst trotz ihrer Wiedervereinigung im Jahr 2007 nur schwer zu finden. So schön es allerdings war, dass der hitzige Psych-Funk von »Chenar le Blues« und das einfallsreiche Reggae-Derivat »Avehri« einer breiteren Öffentlichkeit neu vorgestellt wurden: Adäquat ließ sich die Geschichte dieser Band damit noch nicht vermitteln. Denn die ist eine von indigenem Widerstand, post-kolonialer Zustände und staatlichen Repressionen, aus der sich viel über diese Welt herauslesen lässt. Die Gruppe setzt sich aus Mitgliedern der Berber-Ethnie der Kabylen zusammen und ihr Grundstein wurde nach der Unabhängigkeit des algerischen Staates ausgerechnet im Herzen der vormaligen Kolonialmacht Frankreich gelegt, wo sich die Band ab Anfang der siebziger Jahre mit ihrem eklektischen Sound-Mix einen Namen machte. Die Compilation »Amazigh Freedom Rock 1973-1983«, begleitet von ausführlichen Linernotes durch den Musikanthropologen Simon Debarbieux, dokumentiert nun die erste Iteration der Gruppe vor ihrer Auflösung und späteren Reunions. Über die elf Stücke hinweg eröffnet sich ein musikalisches Panorama zwischen psychedelischem, funkigem Rock und bisweilen synthetischen Disco-Sounds, das bis in die kabylischen Lyrics hinein stark vom kulturellen Erbe ihrer Mitglieder geprägt ist. Les Abranis konnten mit diesem Sound in Frankreich, Nordafrika und der Welt einige Erfolge feiern, sahen sich zugleich aber in nationalistischen Kontexten immer wieder mit Repressionen konfrontiert. Es fällt dementsprechend schwierig, dieser Musik keinen utopischen Inhalt zu attestieren: Die leichtfüßigen Grooves von Les Abranis sind gleichzeitig selbstbewusstes Statement einer unterdrückten Minderheit, wie sie von einer Zukunft zu erzählen scheinen, in der sich die Kulturen auf dem Dancefloor miteinander versöhnen.
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Amazigh Freedom Rock 1973-1983