Review Dance

Mars89

Visions

Bedouin • 2022

Es ist ein schräg getakteter, dystopischer Raum, der sich in den Soundszenarien des japanischen Produzenten Masayoshi Anotani auftut. Kaum hatte der Japaner 2016 seine erste EP als Mars89 im Alleingang veröffentlicht, ging die Sache mit der künstlichen Intelligenz oder besser: den lernenden Systemen in der zeitgenössischen Popkultur durch die Decke. Anotani sah es wie so viele kommen, war fasziniert von der Dynamik und Unkontrollierbarkeit der Entwicklungen und hob zwischen Ballroom, Dancehall, Gqom und tribalen SciFi-Soundtracks einen Stil aus der Taufe, dem sich ratlose Kritiker mit Wortschwämmen wie »Deconstructed Club« anzunähern versuchten. Daran hat sich bis heute wenig geändert. Geändert haben sich allerdings Tempo und Textur der Tracks, an denen Mars89 auf mittlerweile sechs weiteren EPs – zwischenzeitlich auf eher randständigen Labels wie Bokeh Versions, Undercover oder Sneaker Social Club – feilen konnte. Mittlerweile wird der in Tokio schon lange umtriebige Produzent sogar von Kalibern wie Thom Yorke und Zomby mit Remixen bedacht und darf somit als prestigeträchtiger Humanexport im Bereich der elektronischen Musik verbucht werden, der den Hang zum Katastrophismus in der japanischen Kultur stilecht vertont. Zumal sein im vergangenen Jahr auf Bedouin Records erschienenes Debütalbum »Visions« ominöse Glockenspiele mit Beat-Synkopen im Wälzfräsmodus verzahnt, ist das keineswegs übertrieben. Mit Unterdruck wird die Rhythmik dieses Albums eher angesaugt als ausgepresst, während Footwork-Becken und metallisch ächzende Schüsse in »Auriga« oder »Flatliners« als endzeitliche Staffage die Szenerie stützen. Dennoch stehen Referenzen und eigene Ideen gleichberechtigt nebeneinander. Dass die Platte vom Italiener Maenad Veyl produziert wurde, wird etwa bei »Nebuchadzennar« oder dem hymnischen »Goliath« mehr als deutlich. Das klingt dann nicht selten so, als würde sich eine seit Jahren durch alle Alphabet-Algos weiterentwickelte ChatGPT-Version mit Skynet darum streiten, wer nun diese parasitären Fleischklumpen namens Mensch vom Angesicht der Erde tilgen darf. Ohne dass wir es merken, versteht sich.

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Mars89
Visions
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