Dylan Khotin-Foote, der seinen ersten Nachnamen zum Künstlernamen machte, hat zwei musikalische Gesichter. Einerseits steht der Kanadier mit seinen Veröffentlichungen auf Pacific Rhythm oder 1080p in der House-Tradition seines Heimatlandes. Andererseits findet er auch auf Albumlänge statt, wo er meist zielstrebig aus dem Club heraus, an der Afterhour vorbei, in die Wildnis schwebt, nicht ohne LoMo-Kamera und Psychedelica im Gepäck. Die Melancholie und die Zurückgenommenheit, die schon in Khotins Clubtracks anklingen, brechen sich dann vollends Bahn. Nach »Finds You Well«, das 2020, wohl nicht zufällig im ersten Pandemiejahr, einen kleinen Hype auslöste, tun sie das auch auf »Release Spirit«. Auch auf dem Cover des neuen Albums finden sich abstrakte Bilder, die mit ihrer Alltäglichkeit brüskieren. In Kombination mit der gewählten Schrift wirkt es auf den ersten Blick wie das Cover einer Meditations-CD aus den Neunzigern. Und dieser Eindruck täuscht nicht: Die elf Tracks orientieren sich an der Vergangenheit, lassen Kindheitserinnerungen aufleben, die es so vielleicht nie gegeben hat. Zwischen allerhand Delay, das Khotin wie eine akustische Rückblende einsetzt, und seiner persönlichen Zeitmaschine, der Roland TB-303, sprießen zarte Blüten aus dem kleinstädtischen Asphalt. Dream-Pop mit Steel-Pan-Einsatz (»Fountain, Growth«), englischer Gesang mit osteuropäischem Akzent, der auch auf DJ Kozes Jetzt-schon-Klassiker »XTC« gepasst hätte, und Bummel-Techno, dem die Sinne schwinden (»Techno Creep«): Khotin kombiniert die Eingängigkeit von Tycho mit dem sphärischen Hall von Boards of Canada. Das macht zunächst Gänsehaut, entspannt nach einer Weile aber auch, ohne ein wirkliches Narrativ zu erzeugen.
Release Spirit Black Vinyl Edition