JakoJako entfacht das Hypnotische im Techno

20.03.2023
Foto:Katja Ruge © Bigamo Music
JakoJako ist Resident im Berghain und hat sich in der Berliner Synthesizer-Institution SchneidersLaden einen Namen als Spezialistin gemacht. Nach Veröffentlichungen mit Rødhåd und auf Bigamo, erschien zuletzt ihr Debüt via Mute.

Sibel Koçer sitzt in ihrem Studio. Hinter der Berliner Produzentin wuchern bunte Kabel von modularen Synthesizern. Unter dem Namen JakoJako produziert die Halb-Vietnamesin seit über fünf Jahren elektronische Musik – mit blinkenden Maschinen, die manch einer eher auf einer Raumstation als neben einem Ikea-Bett vermutet hätte. In SchneidersLaden, dem Fachgeschäft für Eurorack-Enthusiasten:innen, gilt Sibel allerdings nicht umsonst als Spezialistin. »Wenn ich die Knöpfe drehe, die Lichter sehe oder die Kabel patche, beruhigt mich das«, sagt die ehemalige Krankenschwester.

Zusammen mit dem Berliner Techno-Produzenten Rødhåd hat JakoJako 2022 »In Vere« veröffentlicht – eine Platte, die auf großen Kicks nach vorne prescht und mit verspielten Flächen wie ein flirrender Fiebertraum wirkt. Ihr Debütalbum »Metamorphose« auf Frank Wiedemanns Label Bigamo ist dagegen ein Ambient-Ausflug in die Schaltkreise ihres Modular-Systems. »Das Hypnotische entsteht nicht in einem Loop über vier Takte«, sagt Sibel. »Es kommt immer in Phrasen. Man denkt, es ist immer dasselbe. Aber die Texturen verändern sich über längere Zeiträume. Es ist ein bisschen wie Mandala-Malen.«

Wer ist noch mal New Order?

»Verve«, ihr hypnotisches Techno-Debüt auf Mute, geht auf Labelgründer Daniel Miller zurück. Man kannte sich aus SchneidersLaden. »Er wusste aber nicht, dass ich Mukke mache. Umgekehrt hatte ich keine Ahnung, was er genau macht.« Nachdem Sibel mit ihm einen Nachmittag lang an einem Update für ein Modul gebastelt hatte, waren beide »down«. Kurz darauf klingelte das Telefon. Ob sie sich vorstellen könne, einen Remix für New Oder zu produzieren, fragte sie Miller. »Ja, natürlich«, antwortete ich. »Dann dachte ich: Wer ist noch mal New Order?«

»Das Hypnotische entsteht nicht in einem Loop über vier Takte. Es kommt immer in Phrasen.«

Sibel Koçer

Ein paar Wochen später klingelt wieder das Telefon. Am Apparat: der Manager von Depeche-Mode-Frontmann Martin Gore. Er habe den Remix für Mute gehört. Ob sie sich vorstellen könne… »Natürlich«, sagt Sibel wieder. Da beide Versionen gut angekommen seien, habe Mute für eine Soloveröffentlichung angefragt. »Aber die sprachen von Nova Mute, dem Sublabel für Clubsounds. Ich kannte dort die Sachen von Plastikman und Speedy J – also habe ich angefangen, Ideen für eine Techno-Platte zu sammeln.« Warum sich Miller schließlich dazu entschlossen hat, JakoJakos »Verve«-EP auf Mute zu veröffentlichen? »Keine Ahnung«, lacht Sibel. »Ich war einfach so: Whoaa!«

Manchmal verschleiert bei JakoJako: der Techno im Hypnotischen / Foto: katja Ruge © Bigamo

Ein Kleinwagen als Instrument

Sibel hat vor kurzem bei SchneidersLaden gekündigt. In den vergangenen Jahren hat sie sich in dem Laden am Kottbusser Tor zwar einen Namen als Spezialistin gemacht, Schneider war auch ihre Verbindung zu ersten Veröffentlichungen auf Labels wie Leisure System. Doch der Fokus hat sich verschoben. »Ich habe meine Arbeitszeit immer mehr reduziert, weil ich als JakoJako mehr unterwegs war. Zum Schluss war ich nur noch an einem Tag in der Woche im Laden, aber selbst das habe ich manchmal nicht auf die Kette gekriegt. Mal habe ich es vergessen, mal kam ich zu spät oder hatte einen Kater«, sagt Sibel.

Ihr Leben hat sich verändert. Ihre Musik auch. Die »Metamorphose« von JakoJako lässt sich am besten an ihrem Lieblingsinstrument nachvollziehen. Auf Modulargrid, der Online-Datenbank für modulare Synthesizer, zeigt JakoJako ihr aktuelles Set-Up. 25 Module hängen in ihrem Rack, knapp 5.000 EUR müsste man dafür auf den Tisch legen. Viel Geld natürlich, aber gut angelegt, wie Sibel findet. »Ich kaufe sie ja nicht zum Sammeln, sondern zum Spielen. Deshalb passt sich der Organismus laufend an.«

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Techno, wie ihn JakoJako zuletzt auf Mute veröffentlicht hat, passt gut zu ihrer Vorstellung von Veränderung. Als DJ spielt sie gerne harte, düstere Banger, die auch »broken« sein dürfen. Dazu mischt die Berghain-Resident Trance, damit es »nicht ganz so ernst bleibt«. So gehe es manchmal in eine romantische Richtung, könne aber auch »emo« werden. »Hauptsache«, sagt Sibel und lächelt, als käme sie gerade vom Vier-Uhr-Tee der Clubnacht, »man kann danach wieder bouncen.«