Wieder was Neues. Bei der kolumbianischen Musikerin Lucrecia Dalt gibt es mit so ziemlich jedem weiteren Album etwas Überraschendes zu hören. Dass sie zu Orgel- oder Orchesterklängen singen und überhaupt im Gegensatz zu ihren früheren Klangerkundungen fast wie eine konventionelle lateinamerikanische Sängerin daherkommen würde, wäre allerdings wohl das Letzte gewesen, was man von ihr erwartet hätte. Statt strenger elektronischer Versuchsanordnungen oder geloopter Collagen gibt es jetzt Salsa, Mambo oder Merengue. Alles anders? Nein, Lucrecia Dalt ist nach wie vor Lucrecia Dalt. Elektronische Klänge hat sie selbstverständlich auch in diesen Kosmos integriert und ihre cancións erzählen von Science-Fiction-Dingen und Zeitlosigkeit. Folgerichtig, dass sie die Musik, die sie als Kind umgeben hat, auf »¡Ay!« in eine eigene der Zeit mutmaßlich enthobene Form umgestaltet, zu hypercancíons oder wie man es sonst annäherungsweise nennen könnte. Einige davon stehen ihren früheren Platten an Seltsamkeit in nichts nach. Die Angelegenheit wäre vermutlich bloß eine nette Spielerei, wenn Lucrecia Dalt nicht zugleich sehr geschickt geschichtete und auf die für sie typische schrullige Weise eingängige Stücke schreiben würde. Und sie singt mit ihrer mehr flüsternden als mit vollem Körpereinsatz intonierenden Stimme einfach hinreißend entrückt. Für die spanischen Texte gibt es als Lesehilfe übrigens eine englische Übersetzung. Nicht, dass sie dadurch leichter zu verstehen wären.
Íay! Black Vinyl Edition