Wer sich 1984 auf das Album »The Wanderer« der US-Komponistin Pauline Oliveros einließ, bekam die Antithese zu gängigen Hörmustern vorgesetzt. Aufgenommen am 27. Januar 1983 im Marymount Manhattan Theatre spielt ein Orchester aus zwanzig Akkordeons, zwei Bass Akkordeons und fünf Perkussion-Instrumenten – und dazwischen die 2016 verstorbene Pauline Oliveros als Solistin. Bestehend aus nur zwei Stücken mutiert »The Wanderer« auch heute noch zur Kraftprobe des Hörens. Was daran liegt, dass das Akkordeon heute ein selten genutztes Instrument ist – sowohl in der Popkultur als auch in der Avantgarde als in der Klassik. Gerade in den letzten Minuten des Titeltracks reißt das The Springfield Accordion Orchestra an den Nerven, macht aus dem Hören eine körperliche Erfahrung. Warum also hören? Weil es eben dieser Gegenpol war und ist, der sich gegen akademische Gepflogenheiten, gegen das Verstaubte und Verbohrte richtete. Diese beiden Stücke tragen noch heute eine unvergleichliche Sprengkraft in sich. (Auch wenn zwischendurch mal jemand aus dem Publikum hustet.) Wobei das zweite Stück »Horse Sings From Cloud« im Vergleich fast schon wohlklingt, getrieben von einem klaren Rhythmus, reduzierter (meint: kein volles Akkordeon-Orchester im Einsatz) bei den Instrumenten und Möglichkeiten daherkommt sowie eine Melodie vor sich herträgt. »The Wanderer« sollte deswegen nicht nur als musikhistorische Perle in dieser Neuauflage verstanden werden. Dieses Album fordert und fördert das eigene Hören heraus. Und liefert ein auch heute noch neues und spannendes Verständnis dafür, was Musik, was Geräusche, was Rhythmus und Melodie überhaupt sein können.
The Wanderer