Wenn man über die Japanerin Shoko Igarashi lediglich weiß, dass sie Saxofonistin ist und am renommierten Berklee College of Music studiert hat, sind diese Informationen stark unzureichend. Oder man muss schon sehr fantasievoll sein, um sich vorzustellen, was sie auf ihrem Debütalbum tut. Zunächst einmal spielt sie sehr wenig ihr gelerntes Instrument. Stattdessen ist »Simple Sentences« voll von Synthesizern. Und wenn es jetzt etwas berechenbar sein darf: Sie setzt sie gern in ähnlicher Weise ein wie die Elektropop-Pioniere Yellow Magic Orchestra, gleich im ersten Stück »Sand Dungeon« zu hören. Melodien haben bei ihr oft diese »asiatisch« anmutenden mäandrierenden Schlenker, dazu synthetische Bläser, Glocken und allerlei nicht näher zuzuordnende elektronische Klänge. Noch mehr als ihre historischen Vorbilder hat Shoko Igarashi dabei den Funk als ihren Verbündeten, womit sie am ehesten ihre Jazzausbildung zu erkennen gibt. Vor allem aber kommt bei ihr einiges an elektronischer Musikgeschichte zusammen, ohne nach einer Genreübung nach der nächsten zu klingen. Lieber amalgamiert sie ihre Einflüsse, lässt sich auch zu exotica-cheesiness hinreißen. Man lässt ihr alles durchgehen. Man kann sie dafür sogar sehr gern haben. Und dann geht man noch einmal zu »Sand Dungeon« zurück und fragt sich, wer denn diese französische Frauenstimme ist, die von Musik spricht. Die Ahnung bestätigt sich am Ende: Es ist die französische Drone-Altmeisterin Éliane Radigue, sie schwärmt vom Reichtum, der sich aus Selbstbeschränkungen ergibt. Von Beschränkungen ist bei Shoko Igarashi nicht viel zu merken. Umso souveräner die Hommage an eine so völlig andere Künstlerin: Verneigung und Aneignung zugleich.
Simple Sentences