Es kann keinen schwierigeren Scheidepunkt des Künstlers geben als den des Erfolgs. Wenn alles erreicht ist, der Name etabliert und die Kontodaten stabil. Dann bleibt die Stagnation oder das Ausreißen. Beides hat viel mit Disziplin zu tun, nur Letzteres mit Mut und Selbstverwirklichung.
Worte
Alan Moore ist der wichtigste Comic-Autor unserer Zeit. Er hat mit »Promethea« und »Lost Girls« das Genre †ºComic†¹ neu definiert. Seine Werke »Watchmen«, »V wie Vendetta« und »From Hell« wurden hochkarätig verfilmt. Er kann sich getrost der Meister-Literat des Comics nennen. Und er wird nicht mal müde belächelt, wenn er sich zum Magier ausbilden lässt. Bereits 1996 entfernte sich der Engländer mit dem zerfransten Rauschebart von seinem sicheren Stand des Comicautors und nahm Hörbücher auf. Für die BBC wandelte Moore 2008 das Essay »Unearthing« zu einer zweistündigen Lesung. Darin verdichtet er das Leben seines Freundes und Comic-Autors Steve Moore, der sein gesamtes Leben an ein und demselben Fleck gewohnt hat, zu einem psychogeographischen Portrait. Mit seiner sonoren Stimme erschafft er darin die entrückte Welt seiner Comics neu. Und erreicht auch damit die überwältigende und beängstigende Tiefe eines Erzählers, der bereits andere Realitäten gesehen hat.
Töne
Adam Drucker hat als Delirium-MC Doseone eigentlich ausreichend Projekte für fünf erfolgreiche Leben. Auch Andrew Broder ist als Multiinstrumentalist bei Fog ausgelastet. Ebenso Stuart Braithwaite (Mogwai), Zach Hill (Hella), Justin Broadrick (Napalm Death) und der Vorzeige-Kehrtwender im Musik-Business Mike Patton. Doch anstatt Erfolgsalben zu bedienen, komponieren sie einen leise tastenden Soundtrack hinter Moores Stimme. Eine geheimnisvoll verstörende Klangwelt zwischen Postrock, Noise und einem filigranen Geräuschteppich, der einem das Fürchten und Träumen lehrt.
Bilder
Mitch Jenkins begann mit Cover- und Bandfotos für Independent Labels, bevor die Aufträge für Stars jenseits der Millionen-Einkommensgrenze einschlugen. Der Londoner extrapoliert in seinen Portraits den Kern seiner Sujets und erhielt dafür mehrfach den begehrten Promax Award. Er bräuchte also einfach nur weiter zu machen. Aber Jenkins hält ein kleines Detail ab: »Die Langeweile bei Mainstream-Projekten«, resümiert er knapp. Deshalb – und weil er Alan Moore seit über 30 Jahre kennt – war es etwas Befreiendes für ihn, »Unearthing« zu visualisieren. »Meine Strategie war es, alles gänzlich anders zu fotografieren als für meine Mainstream-Projekte.« Was nicht gleich Lo-Fi bedeutet. Jenkins bleibt Hochglanz und mit starken Kontrasten. Seine Bilder, welche die »Unearthing«-Box großformatig ummanteln, visualisieren einen einsamen, entrückten Menschen auf der Suche nach einer neuen Realität.