Pharoahe Monch – »Immer diese Lügen.«

04.04.2011
Foto:D-Nice
Am vergangenen Montag spielte Pharoahe Monch ein superbes Konzert in Heidelberg. Wir trafen den 38-jährigen Rapper nach dem Konzert zum Plausch über gelungene Auftritte, Politik und die Musikindustrie.

Das war eine eindrucksvolle Show heute hier in Heidelberg.
Pharoahe Monch: Vielen Dank, Mann!

Du hast heute Fuc You gespielt. Wie fühlt es sich an wenn dir 500 Leute den Mittelfinger entgegenstrecken?
Pharoahe Monch: Es ist großartig (lacht). Ich hatte einfach Spaß mit der Menge. Jeder kann auf diese Weise ein bisschen Energie loswerden. Egal, ob es nun gegen mich geht oder sonstige Sachen sind, die einen belasten und die einen aufregen. Man braucht das einfach mal. Wenn ich selbst auf Shows gehe, fühle ich mich oft nicht animiert. Es könnte mein Lieblingskünstler sein und ich würde einfach nur so machen (lehnt sich zurück und nickt mit dem Kopf). Man sollte das nicht allzu persönlich nehmen, aber wenn Leute auf einen Auftritt kommen, wollen sie durchdrehen. Ich bin stolz, dass das heute geklappt hat.

Wir müssen unsere Energie austauschen. Darum geht es doch im Hip-Hop.«

Pharoahe Monch
Unter den Zuschauern waren heute auch zwei deutsche Rap-Legenden: die Stieber Twins. Gehst du auch noch häufig selbst als Fan auf Shows?
Pharoahe Monch: Ja, ich war gerade erst bei MOP, Mobb Deep, Large Professor, Talib Kweli, Mos Def, Slaughterhouse (Zwischenruf von Mela Machinko: Yeah, Slaughterhouse!). Das ist wichtig für mich und kann sehr inspirierend sein. Ich möchte auch dass die Leute sich von mir inspirieren lassen. Wir müssen unsere Energie austauschen. Darum geht es doch im Hip-Hop.

Du hast erzählt, du bist schon oft in Deutschland und Europa gewesen. Wie ist dein Eindruck, wenn du die Szene und das Publikum hier mit den Staaten vergleichst?
Pharoahe Monch: Ich denke das Publikum hier ist besser über HipHop informiert und was die Kunst an sich angeht. Viele kamen heute um eine HipHop-Show zu sehen. Wir haben viel neue Musik und Genres einfließen lassen, das war für mich selbst eine Premiere. Unsere Show war auch extra darauf ausgerichtet, die Zuschauer mit ungewöhnlichen Dingen herauszufordern – so wie ich es selbst gerne erlebe. Auf unsere neuen Songs wie Shine und Still Standing haben wir eine besonders gute Resonanz bekommen.
 
Als du auf die Bühne gekommen bist, hattest du eine Armeejacke an, eine Hundemarke um und eine Gasmaske auf. Bist du für den Krieg gerüstet?
Phaorahe Monch: Die Leute sind bereit für solche Herausforderungen, wie man in Syrien, Libyen, Ägypten, Jemen und überall auf der Welt sehen kann. Krieg bedeutet nicht zwangsläufig immer nur Knarren und Raketen. Es geht einfach darum, mental vorbereitet zu sein, Freiheit und Rechte einzufordern. Ich habe z. B. Asthma, auch mit solchen Dingen muss man zurechtkommen und richtig eingestellt sein. Bekämpfen kann ich es, indem ich mich gesund ernähre und die richtigen Dinge tue um meine Anfälligkeiten auszugleichen: Gewicht, Gesundheit. Ich muss Verantwortung für mich übernehmen.  
 
Politik spielt auch eine wichtige Rolle in deinen Texten. Was hältst du davon, dass der Friedensnobelpreisträger Barack Obama jetzt mit der NATO in den Krieg zieht?
Pharoahe Monch: Mein Problem mit Weltpolitik im Allgemeinen ist die Frage nach der Wahrheit. Genauer gesagt, die Bedeutung, warum etwas getan wird. Es gibt einfach so viele unterdrückte Nationen. Nicht nur Libyen, sondern in ganz Afrika werden Frauen und Kinder von den Regierungen attackiert. Dagegen unternehmen wir überhaupt nichts. In Libyen geht es eben auch wieder um Energieressourcen, wie Öl und so weiter…
 
Auf deinem neuen Album ist ein Stück das Let My People Go heißt. Ist das eine Anspielung auf die politische Situation in Ägypten? In dem Traditional Go Down Moses heißt es ja: »Way down in Egypt land, tell old Pharaoh, Let my people go«?
Pharoahe Monch: Eigentlich geht es in Let My People Go um die Musikindustrie. Die versuchen uns weiß zu machen, dass die Kids nicht bereit sind, inhaltlich anspruchsvolle Musik zu hören. Das ist eine Lüge! Als ich jung war, habe ich Stevie Wonder, Marvin Gaye, Michael Jackson, Jackson 5, Diana Ross, Led Zeppelin, Hall & Oates, The Police und solche Sachen gehört. Die Musikindustrie sollte aufhören mit ihren Lügen. Hört auf zu behaupten, dass junge Menschen nur Eure Schrottmusik verdauen können. Wir brauchen mehr Balance in der Musik, die gespielt wird. Das Verhältnis sollte ausgeglichener, vielfältiger sein.
 

»Die Musikindustrie sollte aufhören zu behaupten, dass junge Menschen nur ihre Schrottmusik verdauen können. Wir brauchen mehr Balance in der Musik. Das Verhältnis sollte ausgeglichener, vielfältiger sein.«

Pharoahe Monch
Welchen Beitrag liefert W.A.R?
Pharoahe Monch: W.A.R ist total durchgeknallt (muss lachen). Aber so bin ich eben. Es geht um alles, das mich berührt. Ich kotze mich einfach aus: von den Medien über die zur Unterhaltungsindustrie, bis hin zu Musikkanälen, die keine Musikvideos mehr spielen. Der ganze Scheiß. Immer diese Lügen. Es ist ein Appell an das Bewusstsein der Leute.
 
Du hast viele Gäste auf dem Album, vor allem unterschiedliche Produzenten…
Pharoahe Monch: Aus diesem Grund hat die Veröffentlichung der Platte auch so lange gedauert, weil es eine Mischung aus verschiedenen Produzenten wie M-Phazes, Diamond D oder Samiyam geworden ist. Es dauert lange, bis du die richtigen Beats gepickt hast und sie am Ende als Stück zusammenpassen. Du kannst nicht einfach Beats auswählen, die nicht miteinander harmonieren. Marco Polo und Exile haben unglaubliche Produktionen abgeliefert – ich musste schauen, dass es am Ende ein stimmiges Gesamtbild gibt.
 
Vor kurzem ist Nate Dogg ist gestorben. Mos Def und du, ihr habt damals für Oh No mit ihm zusammen gearbeitet. Wie hast du von seinem Tod erfahren?
Pharoahe Monch: Wie die meisten Sachen, die ich erfahre, habe ich auch von seinem Tod über das Internet gehört. Vermutlich sogar über Twitter. Ich habe seine Musik sehr gemocht und deshalb ist es wirklich nicht leicht für mich. Es ist aber auch ein Zeugnis dafür, wo wir stehen in der Musikindustrie und dass Menschen in so jungen Jahren sterben. Es sollte ein Weckruf für uns alle sein. Â