Hauschka – Die dritte Dimension

22.06.2011
Foto:Theda Schoppe
Den zweiten Teil unserer Gesprächsreihe über das Piano bestreitet Hauschka. Gerade hat der Düsseldorfer sein neuntes Studioalbum veröffentlicht. Wir sprachen über das Klavier, die Möglichkeiten der Präparation und Räume für Kollaborationen.

Das Klavier ist das vielleicht größte unter den Instrumenten, eines das die Vielfalt der Stimmen zu vereinen weiß wie kein anderes, das erste Werkzeug des Komponisten – ein Instrument, dass uns an den Kern der Musik und ihrer Komposition und Dramaturgie führen kann. Dass dies auch in der Popmusik Gültigkeit hat, dass das Klavier die augenscheinliche Reduktion zu begleitenden Keys nicht fürchten muss, dem sollen eine Reihe von Gespräche nachspüren. Diesmal im Gespräch: Hauschka.

Mit Salon des Amateurs hat der Düsseldorfer Pianist und Komponist Volker Bertelsmann gerade sein neuntes Studioalbum unter seinem Künstlernamen Hauschka veröffentlicht. Darauf zeigt sich der Meister des präparierten Klaviers tanzbarer denn je und schlägt mit dem nach dem gleichnnamigen Club benannten Album die Brücke zu seinen Düsselforder Wurzeln. Im Herbst sollen zudem Remixe zu allen Songs des Albums sein Klavier auch in die Clubs bringen.

In einem Live-Mitschnitt eines deiner Konzerte in Japan 2008 kann man beobachten, wie dein Klavier beinahe zu beben beginnt unter den Resonanzen, die deine Präparationen erzeugen, während du in fast stoischer Haltung dem Instrument den Rhythmus einhauchst. Wie würdest du das Verhältnis dieser beiden Körper, Hauschka und Klavier, beschreiben?
Hauschka: Im Prinzip ist das Klavier eine Erweiterung meines Körpers. Wenn ich davor sitze, ist es eine Erweiterung meiner Finger, da ich ja mit meinen Fingern den Sound bestimmen kann. Es ist eine Art Applikation, die man an den Körper bindet. Vielleicht wie bei einem Auto, das ja auch zu einem Teil oder zumindest einer Erweiterung des eigenen Körpers wird. Und so empfinde ich das Instrument auch. Und es passiert mir oft, dass ich vergesse, dass ich vor einem Gerät sitze.

»Im Prinzip ist das Klavier eine Erweiterung meines Körpers. Wenn ich davor sitze, ist es eine Erweiterung meiner Finger, da ich ja mit meinen Fingern den Sound bestimmen kann. Es ist eine Art Applikation, die man an den Körper bindet.«

Hauschka
Welche Rolle spielt der technische Aspekt, jenseits der Spieltechnik, in deiner Arbeit? Welche Möglichkeiten schaffst du durch die Präparationen?
Hauschka: Die Präparationen erweitern diesen Körper noch einmal um eine Dimension, sie sind sozusagen die Dimension in die Höhe. Und das ändert meine normale Gewohnheit Klavier zu spielen, weil ich plötzlich nicht mehr Klavier spiele, sondern Drumcomputer oder Bass mit einer Hand und dazu ein Tamburin. Ich spiele eine Note, aber dadurch, dass z.B. Kronkorken auf der Seite liegen, gibt das dem Ton ein rhythmisches Element und erlaubt es mir so diesen Ton auch öfter zu spielen. Und das macht unheimlich viel Spaß, weil es mich ständig herausfordert und ich durch die Präparationen bestimmen kann, wie ich das Instrument gestalte. Und ich gestalte es jedes Konzert auch anders.

Du improvisiert also auch bei der Präparation?
Hauschka: Genau. Ich ordne sie bewusst bei manchen Konzerten anders an als bei anderen um mich herauszufordern, aber auch, weil jedes Klavier anders ist. Ein Club hat vielleicht nur ein normales Klavier, ein Konzertsaal hingegen einen großen Steinway-Flügel und im nächsten Saal steht ein alter Bechstein-Flügel von 1890. Jedes Instrument fordert mich heraus, neu an es heranzugehen.

Inwiefern kannst du die Effekte der Präparationen abschätzen? Ist das steuerbar oder wirst du auch selbst überrascht und musst dann mit dem Resultat umgehen?
Hauschka: Es ist eigentlich beides. Ich kann zwar nachvollziehen, welchen Klangcharakter eine Präparation ungefähr erzeugt, aber ich habe z.B. überhaupt keine Ahnung welche Resonanzen entstehen. Jedes Klavier hat eine andere Resonanz. Ich gehe also gezielt an eine Klangcharakteristik heran und bin dann überrascht, was im Endeffekt herauskommt.

Wie ist dieses Verhältnis von Konzeption und Improvisation, wenn du komponierst?
Hauschka: Also, im Moment ist das vielleicht noch 70/30, 70 Improvisation, 30 Konzeption. Aber das ändert sich auch. Die vorletzte Platte Foreign Landscapes war z.B. komplett ausnotiert, während die letzte, Salon des Amateurs, nahezu komplett improvisiert war. Aber natürlich habe ich im Studio auch immer die Möglichkeit Improvisationen zu spielen, sie zu bearbeiten und in eine bestimme Form zu bringen und darüber dann wieder zu improvisieren. Es geht darum eine Essenz zu bilden. Ich versuche eigentlich Ideen zu destillieren. Das ist dann schon kein reines Improvisieren mehr, während ich bei Konzerten sehr oft auf die Bühne gehe und noch gar nicht weiß, was ich spielen werde an dem Abend.

»man braucht manchmal Räume, die nicht nur von einem selbst bestimmt sind, sondern die man mit anderen Menschen gemeinsam erarbeitet.«

Hauschka
Auf Salon des Amateurs hast du u.a. mit Calexico zusammengearbeitet…
Hauschka: Ja, wir standen schon eine Weile in Kontakt und dann kamen sie auf ein Konzert von mir und dann habe ich sie gefragt, ob sie Lust hätten bei der Platte mitzumachen. Meine Idee war ursprünglich gewesen, nur Schlagzeuger anzusprechen. Aber Joey Burns hat dann einige Sachen ausprobiert, ein paar Celli aufgenommen, eine Harmonika, eine Mandoline und andere Instrumente. Das war sehr überraschend, dass er so frei damit umgegangen ist…

Was für eine Rolle spielen Kollaborationen überhaupt für dich? Duldet der Kosmos Hauschka/Klavier Dritte?
Hauschka: Ja, und das ist v.a. unglaublich schön. Mit meiner Konstellation kann ich natürlich ohne Ende Platten produzieren. Ich kann mich in mein Studio setzen und anfangen zu arbeiten und werde dabei sicherlich auch immer wieder neue Dinge in diesem Kosmos ausprobieren, aber man braucht manchmal Räume, die nicht nur von einem selbst bestimmt sind, sondern die man mit anderen Menschen gemeinsam erarbeitet.

Weitere in dieser Reihe erschienen Gespräche: [link ruby_id=’157′] und [link ruby_id=’164′].