Der einsetzende Regen am Sonntagabend wurde in buntes Scheinwerferlicht getaucht, als Lupe Fiasco die Hauptbühne des Splash! Festivals stürmte und mit seinem Auftritt unerwartet die Messlatte in der Kategorie Live-Energie höher als die Kräne im Hintergrund legte. Sinnbildlich stand sein Name zwischen der Pop-und Fashionikone Janelle Monáe und den Old School-Veteranen von Onyx. Irgendwo in dieser Spannbreite bewegt sich der Rapper gerade, ein Vertreter der 00er Backpacker-Ära, dessen neues Album Platz 1 der Billboardcharts erklomm. Mit stilsicherem Outfit, Sonnenbrille und Goldkette hätte tatsächlich ein neuer Kanye-West-Verschnitt die Bühne betreten können, aber was folgte, sprengte die Erwartungen eines HipHop-Fans mit durchschnittlichem Konzerthorizont. Unterstützt von seiner, auch im Hip Hop inzwischen unerlässlichen Liveband, ließ Lupe in Sachen Rockbarkeit sogar Indiekind Casper im Regen stehen. Als hätte er nicht das Splash!-typische Kopfnickerpublikum, sondern eine Roskilde Pogo-Masse vor sich, verwandelte er die Bühne in eine Woodstock-Spielwiese und nahm jegliches Equipment professionell auseinander. Angestrahlt von den Neonlichtern hüpfte Fiasco wie ein angeschnittener Flummy über die Bühne und nahm gleich das Drumset und den Kamerawagen mit. Wäre der Ton bei Lupes Luftgitarrenbattle gegen seinen Gitarristen ausgeschaltet gewesen, hätten sich einige Zuschauer fragend nach der HipHop-Bühne umgesehen. Angesichts dieses unbändigen Energiebündels fiel es selbst den größten Skeptikern, die Lupe das massenkompatible Lasers verübeln, schwer, sich die Freude zu verkneifen. Die auf dem neuen Album ausgepackten Soundklischees der geglätteten Poplandschaft, vom verkaufssicheren Elektroeinschlag bis zum obligatorischen Autotune, wurden von der Band instrumental umgesetzt, sodass sogar der Neunziger Jahre Marusha-Houseflavour von Beautiful Lasers etwas mehr Qualität gewann. Den Abstieg auf das Niveau unorigineller Clubverschnitte wie Pit Bull oder gar den nervigen Chartshuren Black Eyed Peas mag man Lupe angesichts dieser an den Tag gelegten Authentizität noch nicht prophezeien. Mit der Skaterhymne Kick Push fühlten sich die Gemüter für einen Moment beruhigt, aber es blieb das merkwürdige Gefühl, die Zeiten der Halfpipe seien lange vorbei und Lupe verkörpere inzwischen selber die Gestalt seines berappten Superstar. Aus dem Sinnieren wurde man prompt herausgerissen, als sich herauskristallisierte, wem der Charakter der Performance eigentlich entliehen wurde. Etwas irritiert blickten einige Gesichter drein, als ein halbnackter Lupe im strömenden Regen zum Abschluss gemeinsam mit der Masse Rammsteins Du hast skandierte.
grim104 blickt auf die »grim104 EP« zurück
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