Es hieß ja schon im Vorfeld Me’Shell Ndegeocello, in den 1990er Jahren Sprachrohr einer immer lauter werdenden Lesben-Bewegung in den USA, habe sich verändert. Die heute 43-jährige, die einst Rap mit Soul und Rock-Elementen verschmolz, war ganz vorne mit dabei als sich die jungen Wilden von der alten Garde emanzipierten und »Neo-Soul« geboren wurde. Die fast immer kahlköpfige Frau nahm in ihren Texten nie ein Blatt vor den Mund, sei es durch Kritik an Politik, Frauen- und Rassenhass oder sonstigen Unrechtmäßigkeiten. Am Sonntagabend wollte sie allerdings nicht einmal mehr über Politik sprechen, die eh »Scheiße« sei, wie sie in einem, an diesem Abend seltenen Plausch mit dem Publikum offenbarte. Es war ein ruhiges Konzert von Me’Shell Ndegeocello im C-Club, in der Stadt, wo sie als Tochter eines in Deutschland stationierten Saxophonisten, der seinen Dienst als Leutnant der US-Army tat, 1968 geboren wurde. Nur noch wenig war übrig vom lodernden Feuer, das die zehnfache Grammy-Nominierte früher in sich trug, und nur kurz, bei einigen wenigen Bass-Soli, aufflammte. Fast schon lustlos sprach sie ihre Texte herunter und sang mit nur sehr dünner Stimme die Songs ihres aktuellen Albums Weather. Überhaupt war ausgerechnet das Wetter Gesprächsthema No. 1, wenn mal wieder ein Techniker auf die Bühne kommen musste, um irgendwas zu richten – und der musste oft kommen.
Mal hatte der Gitarrist keinen Sound, so dass er das Publikum über seinen Monitor beschallen musste, mal hatte Ndegeocello keinen Sound für ihren Bass, und wenn doch, dann immer nur mit einem grässlichen Knarzen, das sich den ganzen Abend über nicht abstellen ließ. Für gewöhnlich fällt sowas gar nicht weiter auf, doch war es ja, wie bereits erwähnt, ein größtenteils ruhiger Abend, so dass ihre Songs, darunter Covers von Leonard Cohens Chelsea Hotel oder Nick Drakes Pink Moon, nicht wirklich ihre eigentliche Schönheit entfalten konnten. Erst bei der Zugabe kam Me’Shell Ndegeocello, die sonst den ganzen Abend lang seltsam abwesend wirkte, aus sich heraus. Für einen Moment wurde es »funky« und das Publikum bekam die Gelegenheit, sich etwas zu bewegen. Dann war Schluss und das einst so provokative Idol einer jungen und selbstbewussten Frauenbewegung verließ nach anderthalb Stunden die Bühne. Ein Abend, von dem man sich sicher mehr versprochen hat.
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