»Portico« ist das italienische Wort für Vordach. Für den Namen entschied man sich, nachdem einer ihrer Gigs im vermeintlich regenfesten Stiefel Europas buchstäblich ins Wasser fiel, und man ihn wohl oder übel unter ein nahgelegenes Vordach verlegen musste. Klingt banal? Ist es wahrscheinlich auch. Und doch hält es vorzüglich als Analogie für ihren Platz im immer undurchsichtiger werdenden Morast der Musikindustrie her. Täglich wird man von Radiosendern und Podcasts aus allen virtuell verfügbaren Stilrichtungen zugeschüttet, und es schießen genrevermengende, undefinierbare Neuveröffentlichungen wie Pilze aus dem Boden. Ein regelrechtes Gewitter aus Überangebot, in dem Qualität längst nicht mehr Garant dafür ist, sich über Wasser halten zu können. Das Portico Quartet hat es aber geschafft Fuß zu fassen. Es navigiert seinen Kahn dazu noch selbstbewusst und stilsicher zwischen sehr verschiedenen Ufern.
Zum einen ist da die allgegenwärtige Präsenz des Jazz, auf die schon ihr Name hinweist. Sie schaffen es einvernehmliche, atmosphärische Weichheit mit gestochen scharfer Präzision zu vereinen, wie man es von Veröffentlichungen des Münchener ECM Labels gewohnt ist. Ihr Erscheinen bei Jazzfestivals von Cully bis Cheltenham ist dementsprechend so nachvollziehbar, wie ein jedes von Jack Wyllie‘s Saxophon Solos, die sich zu gleichen Teilen aus spärlich gesetzten Noten wie Stille nähren. Der zweite maßgebliche Stil, der das Gros ihres Klangbilds ausmacht und vervollkommnet, ist spätestens seit ihrem aktuellen Album die Elektronik. Nicht aber wie man es von St. Germain oder Nicola Conte her kennt, welche den Jazz in bekömmlichen Häppchen Unterhaltungsmusik präsentieren, sondern eher auf den Spuren der minimalistischen Vielfältigkeit eines Bugge Wesseltoft, kompositorisch integer wie man es von E-Musik gewohnt ist. Auch wenn es nämlich so scheint, dass Improvisation und Willkür der Nährboden für ihre großflächigen, sich langsam entfaltenden Klangteppiche sind, so liegt ihrem Konzept doch das mathematische Kalkül zu Grunde, mit dem schon Phillip Glass versucht hat unsere Gefühlswelt zu dechifrieren. Versetzt mit Melancholie und Mystik werden Einleitung, Motiv und Variationen so raffiniert ineinander verschachtelt, dass sich deren Abfolge wie befremdliche als auch betörende Rauchschwaden vor einem emporhebt und verflüchtigt.
Das Lido war an diesem Abend ein Hort der Ruhe, frei von dem sonst omnipräsenten Lärmsmog. Man konnte in den Gesichtern die empfundene Geborgenheit lesen. Inmitten des alltäglichen Trubels der Großstadt. So nah daran und doch so fernab davon, verlor sich nach und nach die Zeit und daraufhin man selbst sich in ihr. Im Schutze des »Portico« dieses Quartetts, gewappnet im Auge des tosenden Klangsturms der Aussenwelt.
Jazz-Musiker Dan Nicholls tastet sein Instrument nach neuen Fragen ab
Porträt