Nicolas Jaar – Live am 8.5. in der Kölner Philharmonie

13.05.2013
Foto:www.letsgethey.de
Nicolas Jaar wurde als Laptop-Musiker bekannt. In der Zwischenzeit hat er sich musikalisch weiterentwickelt. In der Kölner Philharmonie jedoch scheiterte er am Spagat, Laptop-Musik mit einer instrumentalen Jam-Session vereinbaren zu wollen.

Nicolas Jaars Auftritt hielt niemanden in seinem Sitz. Gefühlt bahnte sich jeder Besucher in der Kölner Philharmonie ein Mal den Weg durch die Sitzreihen, um pinkeln zu gehen. Einen anderen Anlass aufzustehen, gab Jaars Performance nicht. Viele Besucher, die sich keinen Pinkel-Ausflug gönnten, rutschten auf ihrem Stuhl herum, veränderten ihre Beinhaltung.
Man erzählt sich von Konzerten in der Philharmonie, dass sie den Besucher mit auf eine musikalische Reise nehmen: Fantastische Akustik, ein stimmungsvolles Gebäude und gute Sicht für alle. Chilly Gonzales zum Beispiel gelang das – nur mit Klavier. Jaar schickte die Menschen zur Pinkelpause anstatt in andere Sphären; obwohl er von Gong über Orgel, E-Gitarre und Schlagzeug gut ausgerüstet war. Seinen Laptop hatte er auch dabei. Aus ihm kam zu viel Musik, aus ihm kam jeder Grund, warum Jaars Auftritt misslang.
Denn wie Nicolas Jaar und die begleitenden Musiker, David Harrington, Tlacaelel Esparza und Rémy Yulzari, im richtigen Moment die Instrumente wechselten, obwohl es keinen Takt gab, faszinierte. Wie sie mit kleinen Geräuschen die Atmosphäre veränderten auch – ein Schleifen auf der Hinterseite des Gongs, oder eine weich durchgedrückte Orgel-Taste. Kritiker verschreien Jaar als Laptop-Musiker. Doch der ist mehr und mehr zu einem guten Musiker herangereift; und wäre gerne ein noch besserer. Um sich als solcher zu präsentieren, hätte der Laptop nichts als die Basslines wiedergeben dürfen. Doch so war es nicht. Aus dem Laptop kamen die Synths und vor allem kamen aus ihm auch die Drums; obwohl es ein Schlagzeug gab. Doch das wurde nur mit Samthandschuhen angefasst, als würde es unter hormonellen Schwankungen leiden. Unter der satten Akustik der Live-Instrumente klang die Musik, die der Laptop wiedergab, als würde man zwei MacBooks gegeneinander schlagen: blechern, nach Plastik. Jaar versuchte sich an einer Live-Jam-Session, an öffentlichem Experimentieren. Er wollte das ambiente Rauschen und Dröhnen mit seinen bekannten Songs kombinieren. Der Kompromiss gelang nicht. Wenn dann eine wohl bekannte Melodie aus den endlosen Sound-Flächen heraustrat, setzte Jaar die Laptop-Drums ein. Sie sollten mitreißen, doch stattdessen rissen sie den Zuschauer heraus. Auch die Höhen der Synthesizer führten zu diesem »Hallo-Ich-Muss-Pinkeln-Effekt«: Sie waren falsch reguliert; so muss sich eine Katze fühlen, wenn jemand den Staubsauger anmacht.
Jaar ist der Justin Bieber der Hipster-Gemeinschaft. Sie werden ihm diesen Auftritt nicht ankreiden, vielleicht sogar zu etwas erheben, das er nicht war. Diskutieren mussten trotzdem viele, als sie nach 90 Minuten wieder vor der Philharmonie standen – pinkeln immerhin musste keiner mehr.