Zwölf Zehner – Juli 2013

14.08.2013
Willkommen im August. Doch vorher lassen unsere Kolumnisten vom Dienst den Monat Juli musikalisch Revue passieren und destillieren in ihrer Kolumne Zwölf Zehner die wichtigsten zehn Tracks des Monats.
Für diejenigen, die es nicht besser wissen: In der Außerwahrnehmung gilt Erlend Øye wohlmöglich als diese notorisch schüchterne norwegische Nerd, der mit seinem Kumpel Eirik und ihrer Band den Kings of Convenience zerbrechliche Laute eher ziept als trällert. Leise ist das neue Laut lautete schließlich bereits bei ihrem Albumdebüt 2001 die Parole.
Grazie, prego, szuzi liebe Leser, mit der Außerwahrnehmung ist das so eine Sache. Und die ist ab sofort eine andere: Erlend bleibt selbstredend Norweger, aber der wohnt jetzt im ungehemmten Italien, wo la vita aufgrund der vielen Sonnenstunden, der geographischen Lage und den bella signoras per se schon vor allem dolce ist. Allora liebe Leser, das kann man sich ja kaum vorstellen, denn vor allem aber singt Erlend jetzt auch noch in der Landessprache, der hat nämlich mehr cojones, oder sager wir gleich lieber cogliones als manch einer dieser vermeintlichen Alphatiere, von denen in dieser Kolumne gleich noch die Sprache sein wird.
Aber zurück zu Erlend. »La prima estate« ist eine lupenreine Feelgood-Hymne vor dem Herren, Feelgood allein schon wegen der Flöten, für die wir eine Schwäche haben, sie ist uptempo, das mögen wir ja und sie ist einfach so herrlich lebensbejahend, dass man geneigt ist, unverzüglich für amore (oder bunga bunga) auf diesem einem Boot da einzuchecken. Sommerhit, hier bist du, hier bleibst du.

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Thundercat
Apocalypse
Brainfeeder • 2013 • ab 27.99€
Von Busenfreund Fly Lo zeitnah als das bessere »Get Lucky« bezeichnet, ist Thundercats »Oh Sheit It’s X« der zweitgrößte Sommerhit nach Herrn Oyes oben gewürdigtem Dolce Vita Opus. In einer guten Welt, that is. Ohne Umschweife knallt der nun wirklich ohne Hyperbeln als Virtuose zu bezeichnende Brainfeeder uns eine deftige Parliament-Bassline vor den Latz, zupft Gitarre und Bass wie der Purpurne himself und croont dazu noch Springbreakers-Lyrics für Romantiker. DER Hit auf einem großen Album.

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Das können die unmöglich Ernst meinen – gut, der Gedanke kann einem bei fast jedem Migos Kunstwerk kommen, was das Duo auf »Chirpin« veranstaltet, toppt allerdings den VersaceVersaceVersaceVersace-Wahnsinn nochmals um Längen. Über einen beinahe kontemplativen, aber dennoch monströs aufgepumpten Synth-Beat von Stack Boy Twaun (ja, der heißt wirklich so) macht man sich in Atlanta Gedanken darum, welche Jeans am besten zum Benz passt, vergleicht sich selbst mit Salat, bemüht die alte White Girl Metapher für den Nebenjob und brüllt Mutti zu, dass man es geschafft hat. So weit, so Tumblr. Was aber im – äääääh – Refrain“ passiert, ist entweder Helge Schneider oder tatsächlich eine „Nietzsche-Referenz Oder beides. Die Worte, wir haben sie nicht, aber wollen wir nicht alle einmal gemeinsam Solidaritätszwitschern in der Urlaubszeit?

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Greg Beato
PMA
L.I.E.S. • 2013 • ab 9.99€
Etwas verzweifelt bin ich ja doch, dass meine ausführliche Internetrecherche nichts weiter an Informationen über diesen ominösen Greg Beato preisgibt als die sozialen Medienpräsenzen seines Bruders Ariel, der digital ein durchaus ausgeprägtes Faible für Football, Selfies und Chloë Sevigny offenbart. Sehr sympathisch allemal, bei dieser Damenwahl. Greg hingegen, dieser Mann, der mit seinen ersten beiden Maxis gleich bei den von uns verehrten Funkineven und Ron Morelli veröffentlicht, der hat ein Faible für die Roland TR-909. Und vor allem ein Ohr für die Zwischentöne, die er auf diesem unabwendbar und notorisch funktional nach vorne treibenden »PMA« zwischen all diesen analog polternden Schlägen und zischenden Hi-Hats mit reinstem Techfunk gestaltet. Nebenbei lässt er die Welt wissen, dass Miami durchaus mehr zu bieten hat als die scheußliche Winter Music Conference. 19 Jahre alt soll er auch noch sein. More to come, ganz sicher.

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Früher hat man(n) auf der Autobahn BMWs gezählt, heute zählt man(n) in der Bahn Rap-Klischees pro 16er. Naja, zumindest ab und an. Neulich traf es P. Reign, seines Zeichens Drake-Spezi und A$AP Rocky Kollaborateur. Der lässt auf »We Them Niggas« dann auch wirklich nichts aus: ungelenke Superman- und Tellerwäscher-Metaphern, das Loyalitätsprinzip als oberste Handlungsmaxime, Selbstaffirmation durch Zylinder, Karat und Brüste, Rückendeckung von finsteren Gestalten, Hood-Sozialismus und nicht zu vergessen die Pantoffeln, auf denen man zum Banknoten gefüllten Kopfkissen schlurft. Dass Rocky dann in der zweiten Strophe für Hip Hop Verhältnisse noch sehr bescheiden sein Gemächt misst, ist angesichts dessen mittlerweile überragendem Selbstverständnis in der Booth zu vernachlässigen, allerdings verliert er das interne Duell, wer auf die ungeschickteste Art und Weise Comme des Garcons ausspricht gegen 2 Chainz deutlich. Jetzt mag sich der gebildete Illmatic-Connaisseur möglicherweise zurecht fragen, warum »We Them Niggas« trotzdem so ein geiler Track ist. Dafür verweise ich faul auf jedermanns Lieblingsphrase: The Times They Are A Changin

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Lieber Dam-Funk, ich schlage vor, du beendest die Arbeit an dem geplanten gemeinsamen Album mit Steve Arrington (naja, zumindest kannst du sie kurz liegen lassen) und rennst schnurstracks mit Nite Jewel in die Gesangskabine. »I Know You’re The One For Me«, da hast du es, sie singt es dir und man soll schließlich manchmal einfach auf die Frauen hören, auch wenns schwer fällt. Ihr beiden, das passt. Abermals schlage ich vor, dass du die Arbeit an dieser Demo abschließt und eine Veröffentlichung forcierst. Nicht mastern, das hier ist schon vollendet. Seven Inch, eine Seite, das reicht und ich bin glücklich. Bis dahin lade ich auf Soundcloud immer wieder neu. Und lese die Kommentare: like a unicorn prancing over a sparkling rainbow… pure beauty Da haste’s!

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Ka
The Nights Gambit
Iron Works • 2013 • ab 27.99€
Der Kontrast zwischen dem Migos’schen Zwitschern und Kas Streber-Poesie könnte kaum größer sein, dennoch werten wir es als ein gutes Zeichen, dass für beide diesen Monat Platz war. Ka betont in seinem Signature-Style monoton geflügelte Worte über zwei (?) kaum perkussiv unterstützte Loops, verhandelt von Gingerbread, über Hänsel & Gretel, fliegende Porsches bis hin zur Ewigkeit mal wieder monochrom die großen Themen und bleibt mit minimalsten Mitteln vielleicht der pointierteste Geschichtenerzähler, den es gerade in diesem Rap-Spiel gibt. Erhabener Elder Statesman Ish.

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Das Schöne an Andrew Morgan, einem diesem Typen, der für Minderwertigkeitskomplexe bei allen halbarschigen Wühlern sorgt, ist ja, dass er sein Label PPU so kuratiert, dass selbst die neuen Künstler meist klingen wie ein obskures Shep Petibone Projekt mit Joe R. Lewis und Arthur Russell. Benedek fügt sich dann auch nahtlos in den bisherigen Katalog ein, beginnt mit einem ambitionierten Acid-Arpeggio, dreht eine imaginäre Amnesia-B-Seite auf -8 und anstatt dann vollends Richtung Muzik Box zu torkeln, besinnt er sich auf seine Heimat Los Angeles, reißt das Verdeck hoch und fistbumpt Dam-Funk.

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Wem da im Vorfeld zuviel Mac Miller stattgefunden hat: aufatmen, Earl puttet 2013 immer noch den ass in assassin knattert mehr Alliterationen pro Sechzehner als Uns Eichendorff und hat auch noch Zeit für die Lakers und Illuminaten-Späßchen. Ach ja: der Beat ist eigentlich quasi keiner und genau weil da so wenig passiert, klingt Earl so hungrig und fies wie vor seinem zwischenzeitlichen Houdini-Gimmick. Auf diesen Vince Staples muss man darüber hinaus auch aufpassen, auch wenn dieser vermutlich momentan noch bei Mac Miller alte Snapbacks schnorrt. In diesem Sinne: hide your face and throw your flannels off…SWEATSHIRT!

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Keine Frage, auch das Original ist super. Doch so verstörend düster und blutig wie es da zugeht, das muss doch nicht immer sein. Ist ja schließlich Sommer. Hat sich Onra, seineszeichen Kolumnisten-Look-A-Like, auch gedacht und wandelt mit seinem farbenprächtigen Remix von Juicy J’s »One Of Those Nights« den roten Saft in schimmerndes Kristallin (die gute alte Hudson Mohawke Schule), auf dass The Weeknds vormals melancholische Hook glorreich im leuchtenden Schein erstrahlt. Koppelt man den Remix an die Lyrics, so passt das ganze auch gleich viel besser vor lauter Wolken, Weltraum und Skywalkerverweisen. Thematisch ansonsten die klassiche Leier, getting high und getting laid. Ist ja Sommer, ne?

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