Gonjasufis Frau nimmt den Hörer ab. Als ich ihr sage ich rufe an, um mit ihrem Mann ein Interview zu führen, sagt sie höflich, ich solle kurz warten. Türen quietschen, Kinder quietschen. Wenig später habe ich Gonjasufi am Apparat. Ich sage ihm, ich wolle mit ihm über Yoga reden. Er sagt, dass finde er gut; er klingt ruhig, entspannt, ganz der Familienvater, mitten im Leben. Es ist 12 Uhr mittags in Nevada. Im Laufe des Interviews bricht dann vermehrt Gonjasufis andere Seite aus: Er wird laut, redet sich in Rage, widerspricht sich selbst, seufzt, wird wieder ruhig und nachdenklich. »Scheiss drauf. Alles was du über mich hörst, das stimmt auch!«, sagt der Mann der sich aus der Alkoholsucht gekämpft hat, auf Warp gelandet ist und jetzt inzwischen Yoga unterrichtet. Gonjasufi ist der wandelnde Gegensatz. Und damit ist er Kalifornien sehr ähnlich.
Wie hast du zu Yoga gefunden?
Gonjasufi: Also… Yoga… [macht eine lange Pause und seufzt] Das ist eine sehr schwere Frage. Eine lange Antwort. Wie viel Zeit haben wir?
Ich habe 10 Euro auf meinem Skype-Account. Das sollte für etwas gut sein.
Gonjasufi: OK. Also Yoga resultierte daraus, dass ich gelitten habe. Die Suche, meine Fehler, führten mich zu einem Raum, wo ich ehrlich zu mir sein musste und mich mit mir selbst auseinander setzten musste. Die Sache, die mich gerade beschäftigt, ist: Die Dämonen und Engel sind in uns drinnen, okay?! Und wenn du solche Kräfte außerhalb suchst, dann verlierst du die Kraft, sie zu beherrschen. Um sich selbst zu ermächtigen, muss man beide Seiten des Selbst akzeptieren.
Dann geht es im Yoga gar nicht darum unendlichen Frieden o.ä. zu finden, sondern eher darum zu akzeptieren, dass in einem nun mal Frieden und Krieg herrschen?
Gonjasufi: Yeah man, es ist die Heirat dieser beiden. Im Ying-und-Yang -Symbol sind es die kleinen Punkte, die kleinen Kreise. Das ist der Nullpunkt, der Treffpunkt. Wenn ich kein Yoga machen würde, wäre ich noch viel mehr aus dem Gleichgewicht und fucked up, als ich es ohnehin schon bin. Ich habe akzeptiert, dass ich fucked up bin.
Es geht also beim Konzept des Sufis und des Killers [der Name des bisher letzten Gonjasufi-Album war »A Sufi And A Killer«] nicht darum, den Killer auszuschalten?
Gonjasufi: Nein, du musst aufbauen und zerstören! Wie in der Natur. Um die Ernte zu bekommen, die du brauchst, musst du manche Felder zuvor erst niederbrennen. Brenne die Pflanzen nieder! TSSSSCHHH! Die Wurzel wird da bleiben. Eine bestimmte Seite in mir zu verneinen, würde heißen, das ich nicht ehrlich zu mir selbst bin. Der Killer in einem übernimmt nur, wenn man versucht, ihn zu unterdrücken.
Viele spirituelle Trends, man muss es so sagen, kommen aus Kalifornien. Warum ist Kalifornien solch ein guter Ort für Spiritualität?
Gonjasufi: Weil wir hier frei sind. Wir haben die Sonne, den Ozean, jeder raucht Gras, die Musik ist gut… Nah, here is, real shit, here is what it is: Wenn man von Washington, oder sogar von Vancouver in Kanada, nach Seattle, dann nach Oregon, nach Kalifornien und runter nach Mexiko geht… wenn man das alles aus dem Weltraum sehen würde, würde man eine riesige Graswolke sehen (lacht). Das ist alles, was man sieht! Deshalb ist die Energie hier draußen, wie sie ist.
Wenn man an Kalifornien denkt, dann denkt man schnell an Los Angeles, denkt an Hollywood. Kaum ein Ort symbolisiert so stark die Werte der westlichen, kapitalistischen Welt. Gleichzeitig entstehen um Los Angeles herum immer wieder spirituelle Bewegungen. Fühlst Du diese beiden Pole?
Gonjasufi: Okay, wir reden von einem Geisteszustand und darüber, wie die Leute handeln. Wir reden über die Sucht der Leute nach Ruhm. Ich bin keiner anderen Droge begegnet, die so abhängig macht, die so aggressiv ist wie der Ruhm. Mich erden meine Kinder, meine Familie. Ich lebe für jemanden anderen, als für mich selbst. Wenn du nicht für jemanden anderen lebst, wird Hollywood deinen Arsch verschlucken!
Aber ganz lossagen von Hollywood kannst du dich auch nicht, oder?
Gonjasufi: Natürlich nicht. Einige der Künstler, die ich schätze, sind drin. Ich habe gesehen, was es mit ihnen gemacht hat. Ich sehe, wie viel Geld sie verdienen. Sie verdienen viel mehr als ich. Aber weißt du: Fuck all that shit, man! Ich bin bereits reich, Ich habe, was sie nicht haben…
Entschuldige bitte, dass ich hier unterbreche. Aber wenn du sagst, dass man Reichtum nicht durch Geld erlangt, wie fühlt sich dann für dich die Verbindung zu Jay Z an, der für das Business steht wie kein zweiter und in seiner ganzen Karriere das Geld glorifiziert hat. [Jay Z benutzte auf seinem Album »Magna Carta Holy Crail« Gonjasufis Song »Nickles And Dimes«]»Die wirkliche Frage ist: Wenn ich auf der Bühne bin, besoffen, außer Kontrolle, würde ich in diesem Zustand lehren? Die Antwort ist ein »Nein«. Mein Ziel ist es, meinen Auftritt auf der Bühne so zu machen, als würde ich lehren. Ich will, dass sich die Bühne anfühlt wie mein Yoga-Raum.«
Gonjasufi
Gonjasufi: Jetzt, im Moment, in diesem Raum, fühle ich mich so: Ich fühle mich, als hätte er mir den Song gestohlen. So fühle ich mich. Wegen der Art und Weise wie das Geschäft abgewickelt wurde. Ich respektiere Jay Z als Künstler, das tue ich. Und als Geschäftsmann. Aber Motherfuckers müssen mich genauso als Geschäftsmann und Künstler respektieren! Denn wenn du zu mir kommst und meinen Song nimmst… (Gonjasufi wird lauter) Es ist nicht mal mein Song! Ich habe ihn den verdammten Leuten geschenkt! Und dann ist es so… Ich bin dankbar für alles, aber ich erwarte mehr von… aber wir haben Zeit, das Ende ist nicht hier. Ich werde jetzt nicht lügen, Jay ist einer der härtesten Motherfuckers am Mic. Aber guck, Mann, ich bin immer noch der Lo-Fi-Fucking-Don und guck, sie kommen zu mir!! Ich renne denen ja nicht hinterher, Homie! Er kam zu mir. Und so wird der Scheiss immer sein. Ich renne diesen Motherfuckers nicht hinterher. Sie haben nicht, was ich habe.
Aber zurück zu der ursprünglichen Frage: Du findest nicht, dass sich Jay Zs Werte komplett von deinen unterscheiden?
Gonjasufi: Nun, nicht unbedingt. Vor allem jetzt, da er ein Kind und eine Familie hat. Das verändert Männer, yo! Er zollt mir auch Respekt, in dem er meine Musik verbreitet. Mir gefällt, was er gemacht hat, Mann! Ich fühle mich geehrt. That’s what it is. Aber als Künstler erwarte ich auch anderes: Wir haben uns immer noch nicht getroffen! Ich habe nie mit dem Mann gesprochen!
Darin liegt also die Enttäuschung? Deshalb fühlst Du dich bestohlen?
Gonjasufi: Yeh, yeh! Genau! Aber weißt du was: The real shit is, wenn man sich den Song anhört, ist alles gut. Weil genau darum geht es in dem Song: Von Anonym zu Anonym. Also scheiss drauf. Wir müssen uns unser ganzes motherfucking Leben nicht treffen. Real shit! Denn ich bin, wer ich bin und ich werde weiter reinhauen. (wird wieder erheblich lauter) Ohne den Motherfucker! Das ist alles was zählt.
Trotzdem öffnet es Türen für dich, wenn dein Name im Zusammenhang mit Jay Z fällt. Wie schwer fällt es dir nicht all den Verlockungen zu folgen?
Gonjasufi: Ich muss einfach offline bleiben… Shiiiiiiiieet [lacht]. Wenn ich offline bin, ist mein Blutdruck niedriger und mich interessiert der ganze Scheiss nicht. Ich bin nicht gut da draußen, im Umfeld der Szene und so [Er bezieht sich auf die Szene in Los Angeles, die Low End Theorie-Parties im Speziellen]. Ich werde so wütend, so ungeduldig. Dort ist alles Ego. Warum ich das weiß? Wenn ich dort ankomme, dann bin auch ich wieder in meinem Ego.
Du schaffst es also auch nicht, dein Ego zurückzulassen?
Gonjasufi: Nein, aber das wird die Aufgabe sein… Du sagst es, man, Du sagst es… Es ist schwierig: Ich habe ein sehr großes Ego und verliere mich manchmal darin.
Bist Du eigentlich der gleiche Mensch als Yogi, der Du bist, wenn Du deine Musik auf der Bühne performst?
Gonjasufi: Die wirkliche Frage ist: Wenn ich auf der Bühne bin, besoffen, außer Kontrolle, würde ich in diesem Zustand lehren? Die Antwort ist ein »Nein«. Mein Ziel ist es, meinen Auftritt auf der Bühne so zu machen, als würde ich lehren. Ich will, dass sich die Bühne anfühlt wie mein Yoga-Raum. So würde mich die Bühne meinen Ängsten näher bringen, und mich erinnern, wo ich durch musste, um auf die Bühne zu gelangen. [fängt euphorisch an zu schreien] BUT NOOOOOW, BUT NOOOOOOW, NOOOOOW, BRO, I’M REEEEAAADY! YOU KNOW WHAT I’M SAYIN‘, YOU GOTTA STAY READY!
MONTHLY PEAK: CALIFORNIA
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