Records Revisited – Absolute Beginner’s Flashnizm (Stylopath), 1996

20.08.2014
Heute völlig zu Unrecht im Schatten ihrer zweiten LP »Bambule« stehend, kann »Flashnizm« der Absoluten Beginner als eines der an Experimentierfreude und Ausdrucksvielfalt reichsten umschiffenden Deutschrapalben überhaupt gedeutet werden.

Hip Hop in den mittleren Neunzigern befand sich hierzulande im Klammergriff eines dogmatischen Realness-Gedankens. Fest in der überschaubaren Szene verankerten Helden wie Torch, Scope, Storm und DJ Stylewarz ist es sogar gelungen, in der VIVA-Reihe »Freestyle« diesen im Fernsehen zu installieren. In einer denkwürdigen Ausgabe von »Freestyle« entert ein Trupp Hanseaten das Studio: Das waren die Beginner samt Entourage und ihrem damals noch im Crewnamen geführten Adverb »Absolute«. Allein schon durch ihr Auftreten verpassten sie dem Szene-Dogmatismus eine Abfuhr. Ihre Kostüme zwischen Fasching und Big Pimping enthoben sie einer Zugehörigkeitsdoktrin. Gleichzeitig entlockten die Moderatoren den buntgewandten Weirdos systemkritische und szenekritische Aussagen. Eine eigenwillige, schwer zu kategorisierende Mischung.

Der Zugehörigkeitsdoktrin enthoben
Wie eben auch ihr Albumdebüt »Flashnizm (Stylopath)«, das sie 1996 bei Buback Tonträger herausbrachten. Damals waren die Beginner noch ein Quartett, zu dem sie wiederum erst einige Zeit vorher geschrumpft sind: Der Fortgang von DJ Burn, Nabil und Mirko lichtete und verdichtete die Reihen der Absoluten Beginner, und die heute berühmte Dreifaltigkeit aus Jan Delay, Denyo und DJ Mad wurde erst durch Platin Martin komplettiert. »Flashnizm (Stylopath)« ist ein bunter Blumenstrauß voller musikalischer Experimente – und, obwohl eindeutig ein Kind seiner Zeit, ihr dennoch vollkommen entrückt. Andernorts wurde dem Rap zuliebe fast ausschließlich über Rap gerappt. Die Absoluten Beginner dagegen öffneten sich nicht nur einer breiten Themenvielfalt, sondern auch verschiedenen Musikstilen. Der zeitgemäße Crossover-Ansatz schlug sich dabei nicht nur auf Gigs der Band, sondern auch auf die Albumproduktion nieder. Aber, um es vorweg zu nehmen: »Flashnizm (Stylopath)« war mehr von einem beflissenen Eklektizismusgedanken getragen als von einer vordergründigen Rockattitüde. Sprich: weniger H-Blockx, mehr Beastie Boys.

Es gab auch Hip Hop
Am deutlichsten wird ihr Ansatz wohl in »Frehnwarts Nutzsignal« formuliert. »Ein wenig hiervon, ein bisschen davon und hiervon noch ’ne Prise/Jeder Hip Hop-Fascho kriegt ’ne Krise« heißt es in dem Track, der die Elbcore-Rocker von Caligari featured. Außerdem machten’s die Hamburger, klar, mit der Band ihres Produzenten und Verlegers Mattias Arfmann, den Kastrierten Philosophen. Für das Weed-Liebeslied »Natural Born Chillas« und die Bossa, Ska und die Violent Femmes umkreisende und von Eißfeldt unnachahmlich treffsicher

Zwischen »K.E.I.N.E.« und der sich eher auf Styles und Skills als auf Parolen besinnenden LP »Bambule« angesiedelt, offenbart »Flashnizm« deutlich sein Potential, Subversion mit Humor schmackhaft zu machen, ohne sie zu konterkarieren.

besungene Hymne »Ich <3 Die Beginner« baten sie gar den Filmkomponisten, Embryo-Gründungsvater und Amon Düül II-Krautrocker Lothar Meid ins Studio. Und als sie bei »Get Funky Bulle« gemeinsam mit Main Concepts‘ David P den Herren Ordnungshütern aus den Uniformen halfen, steckten sie knietief im P-Funk. Zwischendurch unternahmen sie immer wieder Ausflüge in dubbig-elektronische Soundscapes: Die Tracks »Spacemadness«, »Pissen From Outer Space« und »Deep Glass« machen deutlich, dass die Absoluten Beginner bereits vor »La Boom« »Atarihuana« rauchten. Lupenreine Hip Hop-Banger fährt »Flashnizm« aber auch auf. Doch selbst mit diesen sprengten sie Szenekonventionen. Und zwar nicht mal vornehmlich durch ihre den limitierten Hip Hop-Kosmos entwachsenen Storyteller-Fähigkeiten, die sie in Form von allegorischen Schweinestallwelten (»McFly«), psychopathischen Introspektiven (»Dr. Octopuss TV«) oder düster-psychedelischen Endzeitvisionen (»1:0 Für Babylon«) bewiesen: Zwischen die typischen repetitiven und samplebasierten Klangwelten auch mal ein Rhodes-Solo einzubetten war ´96 definitiv ein starkes Stück.

*Dann machten sie Bambule«
Auf ihrem Nachfolgealbum »Bambule«, beim Majorlabel Universal verlegt, rappte Denyo: »Für neue Wege öffne ich Schranken, ey nee, ich meine/nicht als BGSler, weil ich immer noch K.E.I.N.E./Werf‘ immer noch Meilensteine, doch weil es mir nichts gibt/zwanghaft Missstände zu benennen, üb‘ ich mehr Rap als Kritik«.»K.E.I.N.E.« war ihre erstes Veröffentlichung, ein Beitrag auf der ’92er Hip Hop Compilation »Kill The Nation With A Groove«. Dort stand ihr Hip Hop-Entwurf noch deutlich im Zeichen des Punk und der politischen Agitation. Eingeordnet zwischen diesem ersten Release und der sich eher auf Styles und Skills als auf Parolen besinnenden LP »Bambule« offenbart »Flashnizm« deutlich sein Potential, Subversion mit Humor schmackhaft zu machen, ohne sie zu konterkarieren. Und zwar von vornherein: Der instrumentale Opener »Dum Dum (Diedel Dum Dum)« entfaltet sich auf einem Sample von »Duck And Cover«, einem für Kinder produzierten Trickfilm der US-Zivilverteidigungsbehörde. Der Film führt anhand einer niedlichen Schildkröte vor, wie man sich mittels Zusammenkauern und Bedecken vor einer Atomexplosion schützt…

Der größere Wurf
Klar, »Bambule« markierte den Durchbruch einer der erfolgreichsten Rap-Crews des Landes und ist für die Genese dessen, was als Deutschrap Geschichte machte, kaum zu Unterschätzen. Dennoch ist »Flashnizm« der größere Wurf. Das Album paart Experimentierfreude mit Ausdrucksvielfalt, ist genreübergreifend, scheuklappenfrei und gehaltvoll – und einer der wahren Glanzlichter deutschsprachiger Rap-Releases.


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