»Schön, dass die Hustlin’ Days endlich vorbei sind.« Jannis Stürtz blickt stolz zurück. Und meint damit nichtmal die eigenen Anfänge. Denn für das Gesicht des kleinen Independent Labels Jakarta Records sind die »Hustlin’ Days« noch lange nicht vorbei. Wenn er das sagt, meint er Brandon Anderson Paak. Der junge Multiinstrumentalist aus Oxnard, Kalifornien beherrscht derzeit wie kaum ein anderer die Meldungen der Blogger und Besserwisser. Spätestens seit seinem gelenkigen Gastspiel in Dr. Dres finalem Opus Compton zieht der einstige Bandcamp Struggler die Blicke auf sich. Beeindruckt fragt man sich stirnrunzelnd »Woher kommt plötzlich dieser talentierte Nobody?«.
Für Jannis sind das »old news«. Bereits im vergangenen Jahr schenkte er ihm sein vollstes Vertrauen. Mit der Wiederveröffentlichung von O.B.E. Vol. 1 als Schallplatte, bot er dem Sänger auf Jakarta Records eine der ersten wichtigen Bühnen seiner noch jungen Karriere und enthob ihn aus der unüberschaubaren Flut an digitaler Massenware in den Kreis der Künstler, die man künftig genauer ins Visier zu nehmen hat. Während Jannis auf zwei weiteren, bisher unveröffentlichten Alben von Anderson Paak sitzt, wartet man andächtig auf das gemeinsame Projekt mit LA-Beatmaker Knxwledge »Ein super Produzent. Das passt inhaltlich auch schön.«
Unterwegs wie Nomaden
Wie das Label, so ist auch Jannis halt- und rastlos geblieben. Zwischen Telefon und heißer Herdplatte multitaskt er sich während des Gesprächs durch die Wohnung. Es ginge kaum symptomatischer. Selten scheint sich der nächste Schritt aus Plausibilität zu ergeben, eher frei nach Gusto. Bescheiden erklärt er, dass Jakarta am Ende des Tages immer nur das reflektiere, was privat gerade so zwischen Soundcloud Untiefen und dem tunesischen Lieblingsplattenladen in Dauerschleife liefe. Konzeptionierte Konzeptlosigkeit möchte man da als Generalverdacht attestieren. So ganz ist das dann aber doch nicht dessen Formel. Irgendwie organisch. Soulful, in Anführungszeichen. Zuhause ist, wo die Musik gut ist.
Zehn Jahre Jakarta fliegen derweil durch das Gedächtnis, als sich Jannis erinnert: »Am Anfang war das Label immer da, wo wir mit unseren Laptops waren.« Mittlerweile kommuniziert es sich über zwei verschiedene Städte. ###CITI: Auf »Ja, macht ihr das doch!« folgte als promptes Credo »Joa, dann machen wir das halt«.:### Während das Büro in Berlin für den kreativen Output sorgt, sitzt Malte, die andere Hälfte der Zwei-Mann-Armee, in Köln und macht die Steuern. Das Geheimnis eines gut laufenden Geschäfts ist die Arbeitsteilung. »Wir haben irgendwie festgestellt, dass Malte so Sachen wie Rechnungen schreiben nicht so scheiße findet, wie ich.« In jener Hemisphäre sollen eben Dinge existieren, die wichtiger sind als der nächste Facebook Status. »Hinter den Kulissen, da ist Malte der Macher.«
Bereits bevor das Hobby zum Lebensmittelpunkt wurde, begann Jannis sich inmitten von Selfmade-Entrepreneuren als Praktikant im Plattenladen selbst zu sozialisieren. Weit vom eigenen Label war er also schon früh nicht mehr entfernt. Mit Malte besuchte er zwar dieselbe Schule, den gemeinsamen Weg ging man aber erst später. Die Initialzündung brachte dann eine befreundete Band. In nebensächlicher Unverbindlichkeit entstand der Wunsch, die Musik auf Schallplatte zu verewigen. Auf »Ja, macht ihr das doch!« folgte als promptes Credo »Joa, dann machen wir das halt«. Aus Spinnerei wurde Ernst. Kurz darauf sortierte man bereits die ersten eigenen Veröffentlichungen ins Händlerangebot ein. Und offenbar ist man darin ganz gut geworden. Mittlerweile nähert man sich dem 100. Release. Eigentlich ein Grund zum Feiern. Sich auf dem Bisherigen auszuruhen, dafür ist gerade aber keine Zeit übrig. Wie so oft ist wieder alles so sehr in Bewegung.
Das Prinzip Wärme
So scheint es eine große Notwendigkeit zu sein, den Umgang miteinander gepflegt zu wissen. Jakarta gibt Projekten einen Raum, die bereits auf persönlicher Grundlage funktionieren. Im Independent Bereich sind die eigenen Grenzen der Kapazitäten schnell erreicht. »Wenn man das dann mit einer Person macht, die einem eigentlich auf die Nüsse geht, dann ist das nicht der geilste Weg, Zeit zu verbringen.«
Ökonomische Überlegungen, ob eine Platte genügend Umsatz produzieren könnte, stoßen somit auf Desinteresse. »Wenn man nicht so richtig Bock auf ein Thema hat, dann macht man meiner Erfahrung nach auch keine gute Arbeit. Das ist ein Teufelskreis, den man versucht zu umgehen.« Mit Habibi Funk hat Jannis nun ein Sublabel an den Start gebracht, dass uns wieder die Augen öffnen lässt. In verwestlichter Naivität stellt man verwundert fest, wie spannend der Kosmos der arabischen Welt aus den letzten Jahrzehnten geklungen haben mag. Und kaum einer zeigte bisher Interesse daran.
Nur wenige Episoden waren dafür nötig, dies zu ändern. »Das Feedback ist auf jeden Fall krass. […] Musikalisch geht es in eine Region, die ganz stark von stereotypischen Vorstellungen geprägt ist.« Der Verfärbung einer Narrative, die uns unwillkürlich an bärtige Männer und Sharia denken lässt, hält Habibi Funk den Spiegel vor. Verwundert stellen wir fest, mit welcher Kurzsicht bisweilen in Plattenkisten gegraben wurde. »Natürlich gibts den heißen Scheiß auch aus Nigeria oder so. Aber dadurch, dass da schon so viele Leute waren, gibts da halt nicht mehr so viel spannendes Zeug, was noch niemand auf dem Schirm hat.«
In der arabischen Welt ist das scheinbar anders. Eine neue Lust keimt auf, sich in musikalischem Neuland niederzulassen. Während wir uns nun an dem Nachlass vergessener Funkperlen bedienen, erkennen wir, dass aus kulturellem Austausch kulturelle Einigung wird. Vor den Toren dieses Kontinents tummeln sich unsere neuen Mitmenschen, Nachbarn und Freunde. Wir empfangen sie mit offenen Armen und werden von dem neuen Reichtum berieselt. Die Hauptsache ist, dass wir uns weiterhin bewegen lassen.