Es ist selten, dass ein schillernder Charakter aufrichtig ist und auch zu seinen Schwächen steht. Mykki Blanco ist so einer. In ihren Musikvideos gibt sie sich als gefährlicher Straßenköder mal als Ballroom-Diva – in Interviews sowie der eigenen Facebook-Seite hingegen nahbar. Besonders eindrücklich im Juni diesen Jahres: In einem öffentlichen Post steht sie zu ihrer HIV-Erkrankung.
»Ive been HIV Positive since 2011, my entire career. fuck stigma and hiding in the dark, this is my real life. I’m healthy I’ve toured the world 3 times but ive been living in the dark, its time to actually be as punk as I say I am.«
So mutig der Post war, so sehr muss sich die Künstlerin auch selbst eingestehen: Sie hat Angst vor den Folgen. In einem eigenen Kommentar unter dem Post wendet sie sich an mögliche Kuratoren, sie mögen ihr die Türen in die Welt der Kunst öffnen – sie glaubte sich mit dem Posting endgültig für die Musikindustrie disqualifiziert zu haben.
Noch vor dem Post hatte sie bereits ihren Ausstieg geplant. Anstelle von Kunst im weiteren Sinne, statt Musik auch, sollte es Journalismus werden. Sie plante nach Nepal zu reisen, um dort die LBGT-Szene zu dokumentieren. Die verheerenden Erdbeben im Frühjahr verhinderten diesen Plan.
Aus all diesen Umständen entstand schließlich Dogfood Music Group. Mykki Blancos Label, unter der Obhut der großen Berliner Schwester !K7Records. Also doch zurück zur Musik. Und so wie mit dem Post, geht es ihre mit Dogfood Music vor allem um eines: Aus dem Dunklen zu treten. Es soll unbekannte Künstler aus dem Schatten holen und so der Welt eine Kultur zeigen, die bisher im Verborgenen arbeitet. Das Düstere darf ins Rampenlicht treten, ohne, dass es dadurch hell werden würde – ohne, dass es etwas an seiner faszinierenden Düsterheit verlieren würde.
Schon der Name: Dogfood. Das Raue, das Dreckige, das Abstoßende; all das ist Teil der Welt und Mykki Blanco will es den Menschen unter die Nase reiben. Für das erste Release auf dem Label präsentiert sie drei Musiker. Deren Namen reihen sich mühelos in die Labelästhetik ein, genau wie deren Sound: Yves Tumor (ein Mann mit vielen Monikern, einigen vielleicht als Teams bekannt), Psychoegyptian und Violence machen der Reihe nach Noise, Hardcore-Rap und okkulten Spoken-Word-Ambient. Oder so ähnlich.
Weil er kein Visa bekommen konnte, fehlte Psychoegyptian bei unserem Interview leider. Die anderen beiden, lernten wir, genau wie Mykki Blanco, als aufrichtig und warmherzig kennen.