Ein zotteliger Höhlenbewohner, der die most funky Beats von ganz Kalifornien produziert? Zuvor: Musikstudium in einem japanischen Kloster, Guerilla-Kämpfe in Nigeria, dann das Produzieren hunderter verschollener Tapes voller Instrumental-Schätze aus mindestens drei Dekaden?
Nein, wasserdicht ist diese ganze Clutchy-Hopkins-Biographie nicht. Um eine in sich schlüssige Erzählung ging es bei ihm aber auch noch nie.
Denn zunächst ging es um einen augenzwinkernden Kommentar zur ganzen Rare-Groove-Bewegung, dieser unermüdlichen Suche nach vergrabenen Musikschätzen und ihrer Wiederveröffentlichung. Diese Sache war damals, vor ca. zehn Jahren, gerade in vollem Gange und ist es bis heute. Dass mit Ubiquity Records ausgerechnet eines dieser Goldgräber-Label den Hopkins’schen Tape-Schatz gehoben haben sollte, war halt ein weiterer Meta-Kommentar und trug zunächst zur allgemeinen Verwirrung bei.
Noch viel mehr aber ging es um das Zelebrieren von Musik als solcher – frei von Zeit- und Personengebundenheit. Oder, wie es Clutchy im Rahmen eines kurzen, in eine äußerst krude Story eingebetteten Interviews auf Wax Poetics selbst sagte: »Let the music speak for itself.«
Die offizielle Story geht indes ungefähr so: Im Spätsommer 2006 taucht ein YouTube-Video auf, eine Art Zeitzeugendokumentation über den verschollenen Multiinstrumentalisten Clutchy Hopkins. Die Doku dreht sich um die Frage, wo eigentlich die ganzen ominösen Tapes des Musikers abgeblieben sind. Das Video verweist auf eine MySpace-Seite, auf welcher das Foto eines Mannes mit grauer Gesichtsbehaarung zu sehen ist. Das Album »The Life Of Clutchy Hopkins«, das über eine eigens angelegte Website anzuhören ist, macht die Runde. Im Februar 2007 erscheint ein erster Online-Artikel, in dem gemutmaßt wird, dass es sich um eine PR-Aktion von DJ Shadow handeln könnte.
Kurz darauf erscheint ein zweiter Teil der Dokumentation, der die Frage des ersten Teils beantwortet: Ein schmieriger Gefängnisinsasse habe die Tapes mitsamt Clutchys Instrumenten geklaut.
So weit, so weird, aber die Tape-Frage ist schnell vergessen, denn was folgt ist ein Reigen an Clutchy-Hopkins-Veröffentlichungen:
CITI: DJ Shadow? Mf Doom? Madlib? Wer ist dieser Clutchy Hopkins wirklich?:### Acht Platten in zwei Jahren, darunter drei unter den Pseudonymen Misled Children und Eugene Harrington, eine Kollaboration mit dem genauso mysteriösen Lord Kenjamin (»a cat that I met while I was travelling in Jamaica«) und zwei Kollaborationen mit dem nachweislich existierenden Shawn Lee. Dieser gibt in einem YouTube-Video auch gleich zu Protokoll, sein Markenzeichen, die Tigermaske, sei ihm von Clutchy Hopkins höchstpersönlich angetragen worden. Der Hype ist mit dieser Veröffentlichungsflut und den dazugehörigen Informationsschnipseln losgetreten, Tausende raten mit: Ist Clutchy Hopkins in Wirklichkeit MF Doom Madlib Money Mark? Oder ist es Shawn Lee himself?
Gelöst wird das Rätsel nicht. 2011 verschwindet die Figur Clutchy Hopkins von der Bühne, genauso plötzlich wie sie aufgetaucht war. Es bleibt nur die Musik, und die steht für sich: Instrumental-Grooves, zusammengebaut aus Elementen des Funk, Hip-Hop, Soul, Folk, Dub, Downtempo usw. usf. Die wilde Mischung quer durch Genres und Generationen gehen im Clutchy-Sound eine organische Harmonie ein. In seinem »Interview« mit Wax Poetics setzte der Schrat diese Eigenheit in Beziehung zu jüngeren Entwicklungen in der Musikgeschichte: _»Ein Kritiker sagte einmal, dass es nach der elektronischen Musik keine Genres mehr gebe. Was bleibt also anderes übrig als Genres zu mixen?«
Die Anleihen aus allen möglichen musikalischen Epochen machen seine Musik zeitlich überall verortbar – und nirgends. Könnte das jetzt 70s-Funk sein? Oder 90s-Hip-Hop-Beats? Zur Körperlosigkeit kommt die Zeitlosigkeit – Clutchy Hopkins wird zum gestaltlosen Medium im Auftrag von Glückseligkeit und Liebe.
Was hat Clutchy Hopkins eigentlich die letzten sieben Jahre getrieben, Mr. Vagnoni? »Gelebt, gekocht, coole Instrumente gebaut. Freshe Sound gebastelt und immer seine positive Grundhaltung beibehalten. Um es in Clutchys eigenen Worten zu sagen: ›All Love.‹«
Manchmal muss man nicht mehr wissen.