Weniger Samples und mehr Instrumente: Mit »Check Your Head« kehrten die Beastie Boys zu ihren Anfängen zurück. Allerdings streuten sie Punk und Rock auf diesen zwanzig Tracks nur noch sehr sporadisch ein. Vielmehr entwickelten Adam Horovitz, Adam Yauch und Mike Diamond einen eigenen, klaren Stil. Dieser eigenartige krachig-angenehme Sound lässt sich noch heute direkt nach wenigen Sekunden erkennen. Zu uncool für den US-Hip Hop jener Tage, zu cool für den Alternative Rock jener Tage. Aber eben doch durch und durch kreativ. Was sich bei den Beastie Boys jedoch nicht so einfach einstellte.
Ende der Achtziger hatten die Horovitz, Yauch und Diamond mit »Paul’s Boutique« einen Meilenstein des Hip-Hop vorgelegt. Was bereits damals Musikpresse und Szene bemerkten. (Chuck D von Public Enemy soll in einem Interview mit dem US-Magazin Vibe erzählt haben, dass jeder in der afroamerikanischen Hip Hop-Community wusste: »Paul’s Boutique« hat die besten Beats.) Nur verkaufte sich die Platte überhaupt nicht. Was zur heutigen Legendbildung perfekt passt. Aber eben erst einmal ziemlich schmerzte. Und Konsequenzen hatte – vor allem beim Label Capitol.
Check Your Head
Gefühlt sei jeder Neuling zu den Aufnahmen von »Check Your Head« wieder durch jemand Neueres im Unternehmen ersetzt worden, sagte Horovitz einmal. Ihr neuer A&R wäre damals ins Studio nach Los Angeles gekommen und die Band habe ihm einfach irgendeinen uralten Jam vorgespielt. Es sollte ein Scherz sein. Nur: Der Scherz interessierte den A&R nicht einmal. Nach dem Austausch einiger Phrasen zwischen Band und Label-Mitarbeiter verabschiedete er sich einfach. Heute lässt sich da klar herauslesen: Es war dem Label vollkommen egal, was die Beastie Boys da taten. Was auch bedeutete: völlige Freiheit. (Zwischenzeitlich kam sogar die Idee auf, ein instrumentales Album aufzunehmen.)
Dass der Prozess zur Entstehung von »Check Your Head« eher schleppend verlief, lässt sich im 2018 erschienen »Beastie Boys Buch« nachlesen. Darin berichten Horovitz und Diamond von den Aufnahmen zur Platte: Nachdem sie das Studio gefunden hatten, gingen sie alte Tapes durch. Darauf fand sich vor allem ziemlicher Quatsch und Telefonate mit den Lieferdiensten von Restaurants. Doch ein paar gute Ansätze fanden sich ebenso dazwischen.
Überhaupt dreht sich dieses Album so oft in eine andere Richtung, dass die anarchische Freude daran mit jeder Sekunde von »Check Your Head« mehr aufgeht.
»Auf einem bestimmten Band war ein langer verstrahlter Jam, auf dem einige sensationell klingende Takte zu hören waren«, so Horovitz. Die Takte sampelten sie mit einer MPC60 Drum Machine, Yauch schrieb ein paar Zeilen und dann ging es an die Aufnahme. Ergebnis: »Something’s Got To Give«. Der Track erinnert vor allem an Dub mit seinem hallenden Sound und verzerrten Vocals. »Es ist sicherlich merkwürdig, dass ein dreieinhalbminütiger Song zwei Jahre braucht, aber so haben wir diese Platte eben gemacht.«
Produzent Mario Caldato erzählte dem Flood Magazine vor einigen Jahren, dass die Sessions mitten in der Nacht vor allem im gemeinsamen Plattenhören endeten. Kurz zuvor ging es Platten einkaufen, danach hörten die Beastie Boys und Caldato die Alben von Sly Stone, James Brown und Lee ‘Scratch’ Perry. Der Einfluss dieser nächtlichen Sessions sei nicht zu unterschätzen, so Caldato. Jedoch verzweifelte der amerikanisch-brasilianische Produzent auch manches Mal. Denn es wurde lange einfach nichts fertig.
Ihr drittes Album klingt vielleicht sogar zusammenhängender als seine Vorgänger, weil die Beastie Boys hier einfach wirklich sich jede Freiheit nehmen konnten. Auch weil es ja vielleicht ihr letztes Album für Capitol war. (War es nicht.) Und trotz Tracks wie »Time for Livin‘“, die wie von ihren ersten EPs klangen. Lange hatte die Band für dieses Stück nicht einmal einen Text. Bis Mike Diamond sich breitschlagen ließ und ein paar Zeilen im Geiste des gleichnamigen Stücks von Sly Stone durch ein Karaoke-Mikrofon krähte. Mit »So What’cha Want“ gibt es einen Track, der den eigenwilligen Sound der Beastie Boys am deutlichsten in sich hat. Neben dem funkigen »In 3’s« steht das runtergedrehte »Namaste« und überhaupt dreht sich dieses Album so oft in eine andere Richtung, dass die anarchische Freude daran mit jeder Sekunde von »Check Your Head« mehr aufgeht.
Ein kommerzieller Erfolg wurde übrigens auch dieses Album nicht, das am 21. April 1992 endlich erschien. Doch es zeigte dem Label (und der Band), dass es bereits eine Vielzahl an Fans für diesen Sound gab. Dass die Beastie Boys mit diesem Album wieder Selbstbewusstsein bekamen, lag nicht an den Verkaufszahlen – sondern an dem langen Prozess, an ihrer Selbstfindung. Und letztlich an diesem Sound, den eben nur sie erzeugen konnten.