Nur wenige Musiker sind häufiger gesampelt worden als Roy Ayers. A Tribe Called Quest, Dr. Dre, Eminem, Pharrell Williams, Naughty By Nature, Public Enemy, Nas, Mary J. Blige, Jungle Brothers, Pete Rock, Common, Erykah Badu, aber auch Künstler wie Michael Jackson, Armand Van Helden, Mousse T., Masters At Work, The Prodigy, Jamiroquai, 4Hero, Linkwood, Kerrier District oder Henrik Schwarz – und immer wieder Madlib – sind nur einige der bekannteren Namen, die sich der Musik des 1940 in Los Angeles geborenen Vibrafonisten, Sängers, Songschreibers und Arrangeurs bedient haben. 708 Songs und Tracks mit Roy-Ayers-Samples listet die Webdatenbank Whosampled.com auf. Obwohl Ayers dieser Praxis im Gegensatz zu vielen anderen Musikern überaus wohlwollend gegenübersteht (»Viele Leute haben meine Musik gesampelt. Und ich bin sehr froh darüber, weil sich das gut anfühlt für mich, sehr gut sogar«, hat er vor fünf Jahren in einem Interview zu Protokoll gegeben), dürfte die Dunkelziffer indes beträchtlich sein.
»Wie auch immer man das Genre nennen will, das Ayers mit seiner Musik erschaffen hat – Space Funk, Mellow Groove, Jazz Funk; oft wird er auch als Godfather oder Architekt des Neo-Souls oder Acid-Jazz bezeichnet: Er hat eine einzigartige Stellung in der Geschichte der Black Music inne«, antwortet Peter Adarkwah auf die Frage nach seinem persönlichen Bezug zur Musik von Roy Ayers. »Das unterscheidet ihn von Lonnie Liston Smith, Isaac Hayes, Curtis Mayfield oder irgendeiner der anderen Soul-Jazz-Funk-Legenden. Seine Musik ist auch zugänglicher als beispielsweise die von Cal Tjader oder Bobby Hutcherson, zwei anderen großen Vibrafonisten, sie bewegt sich mehr in der Mitte der Dinge, ist vielleicht nicht direkt Pop, aber sein Sound besitzt so etwas wie eine universelle Anziehungskraft«, bringt Adarkwah die spezifischen Qualitäten von Ayers auf den Punkt. Der britische DJ und Producer weiß, wovon er spricht: Mit seinem 1996 gemeinsam mit Ben Jolly gegründeten Label Barely Breaking Even, kurz BBE war Adarkwah mit Veröffentlichungen wie »Virgin Ubiquity: Unreleased Recordings 1976–1981«,die unveröffentlichtes Material aus den Siebzigern zugänglich machten und eine Vielzahl an Remixen nach sich zog, mitverantwortlich dafür, dass die Musik von Roy Ayers um die Jahrtausendwende eine Renaissance erfuhr. Songs wie »Running Away«, »We Live In Brooklyn, Baby«, »Searchin’«, »Red, Black & Green« oder »Everybody Loves The Sunshine«, von Ayers in den Siebzigern produziert, fungierten als Blaupausen für den seinerzeit aktuellen Nu-Jazz. Nicht zuletzt durch massives Airplay der BBC-Radio-DJ-Institution Gilles Peterson in dessen angesagter »Worldwide«-Sendung war Ayers’ Musik wieder in aller Munde beziehungsweise Ohren.
»Sein Sound ist kosmisch und melodisch zugleich, seine Groove-basierte Fusion von Jazz und Soul regt den kreativen Geist an.«
Adrian Younge
Mehr als drei Dekaden im Musikbusiness lagen da bereits hinter ihm. Aufgewachsen in einem musikbegeisterten Haushalt – sein Vater spielte Posaune, seine Mutter war Klavierlehrerin –, begann Ayers bereits in jungen Jahren zu musizieren. Im Alter von fünf Jahren nahmen seine Eltern ihn mit zu einem Konzert von Lionel Hampton, der ihm nach dem Auftritt einen Satz Vibrafonschlägel schenkte. Damit nahmen die Dinge ihren Lauf. Früh stand er mit Jazz-Größen wie Teddy Edwards auf der Bühne, 1966 schloss er sich dem Flötisten Herbie Mann an und ging nach New York. Zu Beginn der Siebzigerjahre gründete er seine Band Ubiquity (etwa: »Allgegenwart«), der Hard-Bop seiner Anfangszeit wich zunehmend seinem Interesse für Jazz-Funk und Soul, später auch R&B. 1973 produzierte er den Soundtrack für den Blaxploitation-Film »Coffy« mit Pam Grier, der ihm große Aufmerksamkeit bescherte. Gegen Ende des Jahrzehnts bündelte er seine Kräfte mit dem Afrobeat-Pionier Fela Kuti und begleitete ihn auf einer Tour durch Nigeria, zusammen hoben sie das Label Uno Melodic Records aus der Taufe.
Als Produzent von »Come Into Knowledge«, des einzigen Albums der von ihm gegründeten Formation RAMP, ein Acronym für Roy Ayers Music Productions, war er 1977 für einen heute noch sehr populären (und im Original auch sehr gesuchten) Proto-Disco-Meilenstein verantwortlich. Darauf findet sich auch eine Coverversion von »Everybody Loves The Sunshine«, das Ayers ein Jahr zuvor mit Ubiquity im Electric-Ladyland-Studio von Jimi Hendrix erstmals aufgenommen hat. »Es war ein wunderschöner, heißer, sonniger Tag und ich hatte auf einmal diese Phrase im Kopf: ›Everybody loves the sunshine‹«, erinnerte sich Ayers in einem Interview mit der britischen Tagezeitung The Guardian vor drei Jahren an die Produktionsumstände seines wohl größten Hits: »Ich fing an zu singen: ›Feel what I feel, when I feel what I feel, what I’m feeling‹. Dann begann ich über Sommerbilder nachzudenken: ›Folks get down in the sunshine, folks get brown in the sunshine, just bees and things and flowers‹. Es war so spontan, es fühlte sich wunderbar an.« Eine Sternstunde der Inspiration, die Ayers offenkundig auch noch Jahrzehnte später mit Dankbarkeit erfüllt: »Dieser Song hat alles für mich verändert. Es ist immer noch das letzte Lied meiner Show. Die Leute machen immer mit und es wurde über 100 Mal gesampelt – von Dr. Dre bis Pharrell Williams. Es scheint jede Generation zu erfassen. Jeder liebt den Sonnenschein – außer Dracula.«
Die Schallplatten von Roy Ayers findest du im [Webshop von HHV Records](https://www.hhv.de/shop/de/suche/i:A182842_7684_8147_2054_12828_118422_4034F0N4S14U9?term=roy+ayers)