Leon Vynehall hat oft in die Vergangenheit geblickt. Der britische Produzent veröffentlichte 2018 mit »Nothing Is Still« sein Debüt auf Ninja Tune – eine Reise über den Atlantik, zur Geschichte seiner Großeltern in eine andere Zeit. Die Platte war eine 180-Grad-Drehung. Der Rave, den Garage-House-Platten wie »Music For The Uninvited« prägten, war aus seiner Musik verschwunden. Vynehall klackerte nicht mehr mit Beats, sondern versank in einer Gedankenwelt. Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwanden. Sie lösten sich auf in ihrer eigenen Symbiose, die noch nicht eingetreten war. Mit »Rare, Forever« schließt Vynehall die Schaltkreise. Soundbilder von Huerco S umarmen Booka-Shade-Basslines, reiben sich wie Actress aneinander, um sich auf den Dancefloor zurückzustoßen und etwas Eigenes zu gründen. Etwas anderes, neues. Etwas, das noch nicht da war, oder das Vergangene vergisst. Schließlich wiederholt sich Leon Vynehall nicht. Er hat den Blick nach vorne gerichtet. In die Zukunft. So ungewiss sie auch erscheinen mag.
Vynehalls Musik zerfließt in der Perspektive. Sie verändert sich, andauernd. _»Meine Musik muss wie ein Geflecht, wie ein Klangball klingen, in dem alle Elemente miteinander spielen«, sagte der Brite 2015. Sechs Jahre später hat sich an dieser Aussage nichts geändert. Im Gegenteil: In seinem Ansatz stapeln sich mehr Ebenen als in veganer Lasagne. Vynehall listet neben Aphex Twin und DJ Shadown auch Man Parrish und Afrika Bambaataa als Einflüsse. Das führt dazu, dass der Club »links, rechts, oben und unten« sei, wie Vynehall einst über seinen RA-Podcast sagte. Er ist überall und wiederholt sich nie, weil sich der Producer nicht nur in ihm, sondern – wie auf »Rare, Forever« – nun auch durch den Raum bewegt. Die Zweidimensionalität gehört zum Gewesenen, Vynehall hat sich aus der Linearität der Vergangenheit geschält und springt ins absolute Jetzt. Die Ästhetik spricht akzentfrei 2021, der Drang zur Aktualität folgt keinem Trend. Das wirkt so wenig gekünstelt wie ein Ausflug ins Clubhouse. Welche Platten den britischen Produzenten prägten, erzählt er uns hier.