Nur Genies und Naive befassen sich mit der Frage: Was ist Unendlichkeit? Und während dem physikalischen Raum da anscheinend oder scheinbar Grenzen gesetzt sind, lässt sich mit Sicherheit sagen, dass sich stets Zuflucht im endlosen eigenen Inneren finden lässt. Zu den letzten großen und beeindruckenden Entdeckern dieser Untiefen gehören Künstler wie Sarah Davachi.
Das liegt auf der einen Seite an ihrem beeindruckenden Sound, der sich gerade wieder auf ihrem neuen Album »Antiphonals« ausbreitet. Und auf der anderen Seite an Sätzen von ihr wie: »Ich mache Musik für mich – ich mache die Musik und den Sound, den ich hören möchte und hören will. Es ist wahrscheinlich so einfach: Die Art von Musik zu machen, die ich selbst erleben möchte, ist einfach in vielerlei Hinsicht ein zutiefst befriedigendes Erlebnis.« Was für sich genommen keine Entdeckung ist. Sarah Davachi arbeitet dabei mit zutiefst einnehmenden und minimalen Sounds. »Es ist eine Art von Musik, die mir sehr viel bedeutet und die mir sehr geholfen hat, meine Beziehung zu Raum und Zeit und der Welt um mich herum zu verstehen.« Also doch die Musik als Vermessung der Welt.
Davachi schickt also niemanden auf eine Reise, sondern sie nimmt auf ihre eigene Reise mit. (Großer Unterschied!) Daher gibt es bei der 33-Jährigen andere Ansätze für das Finden des eigenen Sounds. Wenn sie auf ihren Alben Dinge hört, die sie gerne anders machen würde, ist es kein Grund für Zweifel, sondern Antrieb für die zukünftige Arbeit.
Der Weg von »Antiphonals« begann im Februar letzten Jahres. »Mein Prozess besteht aus vielen Wechseln zwischen Aufnehmen, Bearbeiten und Anhören. Und die meisten Tracks durchlaufen diesen Teil für mehrere Monate.« Die Arbeiten zu den acht Tracks fanden alle in ihrem eigenen Studio in Los Angeles statt.
»Die Art von Musik zu machen, die ich selbst erleben möchte, ist einfach in vielerlei Hinsicht ein zutiefst befriedigendes Erlebnis.«
Sarah Davachi
»Für mich hört sich das Album wie eine Erweiterung von ›Let Night Come On Bells End The Day‹ in dem Hinblick an, dass es sehr intim, vertraut und in einer Art karg und vielleicht auch melancholisch ist. Aber ich weiß es nicht genau, weil dieses Album für mich einfach eine unterschiedliche Sache wie für andere Leute sein kann.«
»Border of Mind« gibt vielleicht jene Richtung am deutlichsten vor, in die dieses Album geht. Wie eine Herbstnacht ziehen schwere Sounds über das Rauschen eines Aufnahmegeräts, ein Streichinstrument klingt in der Ferne. Alles konzentriert sich auf diesen einen Punkt. Ungefähre Referenzen wären William Basinski oder Christina Vantzou. Aber in einem unendlichen Raum sind auch nahe Verbindungen endlos weit entfernt. Es ist einer der ersten Tracks, an denen Sarah Davachi für »Antiphonals« arbeitete.
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Wie alle Entdecker nutzt Sarah Davachi jedes Mittel, um sich zu bewegen. Ihre Liebe zu Musikinstrumenten kommt in jedem Artikel über sie vor: »Mich inspirieren und faszinieren die Grenzen und Beschränkungen von Instrumenten. Ich denke über sie in einer eigenwilligen Art nach und möchte herausfinden, was sie können und wie sie einen Dialog mit ihrem Spieler eingehen. Beim Mellotron sind die Tape Loops keine wirklichen Loops. Wenn Du eine Taste drückst, bricht ihr Klang nach etwa acht oder neun Sekunden ab.« Diese Textur aus Start und Stopp interessierte Davachi. Weil sie Teil einer größeren und kontinuierlicheren Struktur ist. Da taucht es auf, das große Ganze. Mit runtergeschraubten Ansätzen. Denn Davachis Sound befindet sich weiterhin im Bereich von Minimalismus, Ambient und Komposition.
Die kanadische Künstlerin kann auf eine beeindruckende Diskographie mit einer Vielzahl an Alben blicken, jede Aufnahme dort für sich eine eigene Reise, ein eigener Klang, ein Anschlag, der im Innersten nachhallt. Dass Davachi angehende Doktorandin für Musikwissenschaften ist, gerät da zur Nebensache. Ihr künstlerisches Werk ist bereits eine eigene Welt für sich, in der das Echo der Unendlichkeit in jeder Sekunde klingt.
Antiphonals Black Vinyl Edition