Wenn Thomas Becker in seiner Einleitung feststellt, dass die ästhetische Erfahrung der Popkultur nur sehr einseitig und damit zu romantisch gesehen werde, erinnert das auch an die Verfehlungen des Musikkritikers. Während sich der Blick des Wissenschaftlers durch eine »intellektuelle« Brille verklärt, wird das Urteil des Kritikers dadurch entschärft, dass er als journalistischer Arm der Produktwerbung fungiert. Zwangsläufig operieren Akademiker und Musikkritiker oftmals an den Widersprüchen der Popkultur vorbei. Das schadet natürlich den Argumentationen und führt schlimmstenfalls dazu, dass die Raffinesse, Beständigkeit und Dringlichkeit der Produkte, die die Popkultur hervorbringt, verkannt werden. Pop bedeutet dann alles und nichts. Thomas Becker, Herausgeber des vorliegenden Sammelbandes Ästhetische Erfahrung der Intermedialität, dröselt den akademische Diskursstrang dieser Wesenheiten auf. Er spricht dabei aber nicht explizit von »Pop«, sondern mit Pierre Bourdieu von »illegitimer« Kunst, was eine Kunst meint, deren Legitimität als Kunst von Institutionen wie Universitäten aberkannt wird, durch seine Breitenwirkung und hohe Zahl an Rezipienten gleichzeitig Bedeutung erlangt. Der neue Faltenwurf im Diskursgewebe liegt nun darin, dass diese Argumentation Hoch- und Subkultur nicht mehr unterscheide, sondern stattdessen zwei Felder eröffne, in dem das eine auf »symbolische Großproduktion«, also unmittelbaren Profit setze, das andere auf »eingeschränkte symbolische Produktion«, in der Innovation mehr zähle als ökonomischer Gewinn. Als Resultat dieser Denkweise gibt es schlaue Kunst sowohl in der Hoch- als auch in der Subkultur. Eine Erkenntnis, die jeder halbwegs kompetente Mediennutzer mit Schulterzucken und einem »Aha!« quittiert.
Diesem groben Überbau folgend vereint der Sammelband auf 243 Seiten zehn Aufsätze »zum Transfer künstlerischer Avantgarden und †ºillegitimer†¹ Kunst im Zeitalter von Massenkommunikation«. Insbesondere den Austauschbeziehungen verschiedener künstlerischer Ausdrucksmöglichkeiten, von Malerei, Musik, Film, Performance, Schrift, Technik, Literatur usw. wird dabei Beachtung geschenkt. Der Musik kommt hier besondere Beachtung zu, in Texten, die von der Veränderung des Musikvideo seit dem Siegeszug des Internet (Beate Ochsner), der Entwicklung des deutschen Musikrechts durch das Sampling (Frédéric Döhl) bis hin zur Untersuchung von Intermedialität in der Musik selbst mittels Bewegungsanalyse (Elena Ungeheuer) reichen. Dabei sind die Autoren mitunter wunderbar unwissenschaftlich mit ihrem Thema identifiziert. Wenn Joachim Paech über den nur noch in wenigen Exemplaren vorhandenen Film Lichtspiel Opus 1 von Walter Ruttmann sinniert und bemerkt, dass viele »Filme in der Regel zerstört und zum Beispiel als Schuhcreme recycled wurden« oder Michael Wetzel in seinem Essay über den Erneuerer des Kunstbetriebs Marcel Duchamp in einem Anflug von Irrwitz feststellt, dass sich bereits im Familiennamen des französischen Künstlers das »literarisch-künstlerische Feld« Bourdieus eingeschrieben habe (»Du-Champ, d.h. †ºder, der aus dem Feld hervorgeht†¹.«), dann erwischt man als Leser den Akademiker einen Moment lang nicht als Akademiker, sondern als Verliebten, der den Gegenstand seiner Liebe nicht mehr ganz objektiv betrachten kann. Und auch Thomas Macho zeigt sich in seiner Abhandlung über den Filmregisseur Robert Bresson weniger als Wissenschaftler denn als Flaneur, der sich Bescheid wissend vor seinem Gegenstand verbeugt. Das erinnert dann auch wieder an die Gepflogenheiten der Kritik. Aber diesmal an jene positive, die es wieder mehr herauszustellen gilt.