Was der Brasilianer unter »Saudade« versteht oder dem Polen als »Żal« teuer ist, das übersetzt sich in viele andere Sprachen unvollständig mit dem Wort »Traurigkeit«. Vielmehr beschreiben diese Begriffe aber eine Ganzheitlichkeit dieses Gemütszustands, der nur durch seinen Gegenpart in seiner Gänze zur Geltung kommen kann. So wie Glück im Auge des Betrachters an Substanz gewinnt, der um des Schicksals unerbittliche Missgunst weiß. Carlos Lyra beschwört in seinem »Samba De Bênção« auf diese Weise die wahrhafte Frau. Eine dessen Schönheit sich durch ihre Verletzlichkeit äussert; in deren Antlitz sich die Bürde der Frau wiederspiegelt. Eben so eine war Elis Regina. Zweifelsohne zu den begnadetsten Interpretinnen und versiertesten Sängerinnen ihrer Zeit gehörend, ist ihre Bedeutung und Anerkennung unter den ihren erst durch ihre Menschlichkeit zu begreifen. Sie war sowohl auf der Bühne als auch fernab davon stets sie selbst; das nahbare, naive Kind, wie auch das von Exzessen und Militärjunta geplagte enfant terrible. Eine ehrliche Haut, die, ohne sich auf den Lorbeeren ihres ausserordentlichen Erfolgs auszuruhen, ihrem Missmut gegenüber dem Regime Platz zu verschaffen wusste. »Furação« (Wirbelsturm) war der treffliche Spitzname dieses leider viel zu kurz am Firmament der Musikindustrie grell scheinenden Sterns, dessen unverfälschter Charakter in ihrem Werk weiterlebt. Getränkt von hoffnungsvollem Stolz, mondän und schlicht zugleich, zeugt es musikalisch wie existenziell von ihrem Blick für das Wesentliche. Unendlich traurig und dadurch unvergänglich schön, wie die Welt selbst.
Elis Regina in London