Rhyes Debütalbum würde keinen Fahrstuhlfahrer der Welt empören. Der Gast würde einsteigen, hochfahren, aussteigen: dass »Woman« lief, das hätte er gar nicht mitbekommen. Die Instrumentals schwelgen seicht dahin, die Stimme von Sänger (!) Milosh lullen den Hörer in ein Satin-Tuch, vermitteln ein Gefühl der Intimität – dieses Rezept sorgte für den Hype um das Duo. Auf Albumlänge hemmt es allerdings. Anstatt an den richtigen Stellen die Emotionen zum Ausbruch zu bringen, plätschert die Musik übersensibel an diesen vorbei. Wo es dringend mal zum Geschlechtsakt kommen sollte, da bleibt dieses Album im Streichelmodus. Das ist musikalischer Tantra-Sex. Das einzige, was hemmungslos getrieben wird, ist das Zitieren: R&B und Soul der 80er- und 90er-Jahre fließt ein und wird zu selten mit modernen Ansätzen angereicht. Der entscheidende, individuelle Ansatz fehlt. Wenn ich ein Sade-Album hören will, dann höre ich ein Sade-Album. »Woman« klingt sehr nach einem solchen. Wem es allerdings gelingt, die Objektivität abzulegen, und nicht zwischen Kunst und Kitsch unterscheiden will, der wird das Album ganz anders bewerten. Mit den bereits bekannten »The Fall« und »Open«, aber auch mit »Hunger« sind mindestens drei Tracks enthalten, die allen ohne allzu postmoderne Rüstung unter die Haut gehen dürften. Dann kann »Woman« ein Sonntag nackt unter Seiden-Bettwäsche sein.
Woman