Aaron Funk hat endlich seine Stimme entdeckt. Nicht im übertragenen Sinne. Der Kanadier wusste schon immer, was er will und wer er ist und hat das mit Drill’n’Bass-Gewittern in komplizierten 7/8-Rhythmen stets deutlich zu Protokoll gegeben. Nein, Aaron Funk hat seine Gesangsstimme entdeckt. Der poetische Dreampop mit Joanne Pollock, den er Anfang 2014 als Poemss kredenzte und auf dessen Album er erstmals ernsthaft sang, hat ihn aus der Reserve gelockt. Aaron Funk hat auch als Venetian Snares ernsthaft Blut geleckt. Man darf sich deshalb nicht ins Boxhorn jagen lassen, wenn die Opener »10th Circle Of Winnipeg« und »Deleted Poems« noch ganz klassisch mit 5/4-Takt und Jazzvocal-Samples und Bartók’scher Großorchestrierung auf eine Fortführung seiner cineastischen Großwerke »Rossz Csillag Alatt Született« und »My Downfall« hoffen lassen. Spätestens mit »1000 Years« kommt sein Einsatz. Und bei aller Liebe zu seinen komplexen Kompositionen, seiner herausstechenden Musikalität im Krach und seinem offensichtlichen Humor, mit dem er zwischen romantischen Balkonszenen und Slasher-Gemetzel pendelt: Seine Stimme ist – sagen wir – äußerst gewöhnungsbedürftig. Fans von 80s Gothic werden hier vielleicht erstmal einen Zugang zu der schweren Kost bekommen. Ja genau, 80s Goth Rock, das irritiert erst einmal gehörig. Lässt man sich darauf ein und von der musikalisch-kompositorischen Glanzleistung von Venetian Snares treiben, die er auf seinem 23. (!) Soloalbum auffährt, macht das aber sogar Spaß. Glücklicherweise übertreibt er es mit den Singen nicht, setzt es pointiert und perfekt in die Melodiestrukturen gebettet ein. Ein Grinsen zieht sich breit übers Gesicht. Die Beine sind eh schon verknotet, aus den Ohren tropft Blut. Genau so, wie wir einen Abend mit Venetian Snares zu lieben und zu würdigen gelernt haben.
My Love Is A Bulldozer