Review Rock

Liturgy

Renihilation

Thrill Jockey • 2014

Ein weitverbreitetes Vorurteil über Black Metal lautet, dass das Genre innovationsresistent sei. Dass das keinesfalls der Wahrheit entspricht, zeigt sich mit Blick auf seine reiche Geschichte: Schon Mayhem sampelten auf ihrer stilprägenden »Deathcrush«-EP den Synthesizer-Pionier Conrad Schnitzler, Emperor setzten dem kargen Lo-Fi-Sound ihrer Zeitgenossen komplexen Prog entgegen und Ulver brachen nach drei Black Metal-Alben zu völlig neuen Ufern auf. Woran sich lange nur wenig änderte, war die morbide Ästhetik. Black Metal liebt sein Image, Nietengürtel, zerschlissene schwarze Kutte und corpse paint inklusive. Auch als Sunn O))) um die Jahrtausendwende eine Art Black Metal-Abstraktum präsentierten und die dem Genre zugrundeliegenden musikalischen Ideen in neue Höhen hoben, änderte sich vorerst wenig. Abgesehen vom Image, denn wo vormals faschistoide Ideologien gepredigt wurden, nahm nun die große Umorientierung ihren Lauf. Die Bands des sogenannten Cascadian Black Metals – allen voran Wolves In The Throne Room – konzentrierten sich intensiv auf Naturthemen und überall auf der Welt gründeten sich dezidiert antifaschistische Black Metal-Bands. Still und heimlich änderte sich währenddessen das Gesicht des Black Metals: Statt todessehnsüchtiger Typen in zerlaufener Pandaschminke kreischten sich nun die netten Jungs von nebenan die Seele aus dem Leib. Die New Yorker von Liturgy waren eben solche unscheinbaren Youngster, als sie 2009 ihr Debüt »Renihilation« auf 20 Buck Spin veröffentlichten. Ihr Entwurf eines – wie Sänger Hunter Hunt-Hendrix es in einem Essay nannte – Transcendental Black Metal plädierte noch lauter für einen musikalischen wie inhaltlichen Kurswechsel als ihre Vorgänger. So wurde der im Black Metal grundlegende blast beat wurde durch den raffinierteren burst beat ersetzt, was gelegentlich so klingt, als würden Franz Ferdinand sich an einem Darkthrone-Cover versuchen. Trotzdem wohnt dem mit spiritistischen Chants aufgepeppte »Renihilation«, das nun von Thrill Jockey neu aufgelegt wird, dieselbe wirbelnde Energie inne, wie sie Black Metal immer schon zu Eigen war. Das Debüt Liturgys ist weit mehr als das eines unter vielen Zeugnissen eines schleichenden Paradigmenwechsels, nein: Es ist ein kleiner Meilenstein der jüngeren Black Metal-Geschichte.