Seelenvolle, elegante Deepness kommt aus Amerika, in Europa herrscht tumb-teutonische Stumpfheit. Diese alte HouseGleichung ging im Grunde noch nie auf. »Ghetto Madness« stellt gleich klar, dass es Mitte der Neunziger von Chicago zu, sagen wir, Amsterdam auch nur ein Katzensprung sein konnte: Jammin’ Geralds Einstieg in diese Compilation, wie auch seinen anderen Beitrag hätte man durchaus auch Mokum abgenommen, so nah lag man sich in Sachen Groove, Struktur und Produktionshaltung. Strut Records greifen hier den Faden ihrer vorjährigen DanceMania-Retrospektive »Hardcore Traxx« auf, und auch wenn die BPM auf dieser Fortsetzung noch nicht aus dem Ruder laufen: Im Roland R70Sound, in den rhythmischen Verdrehtheiten, im kaltem Schweiß kündigt sich die Entwicklung zu Juke schon an. Ausgewiesener Vorläufer DJ Deeon etwa ist prominent vertreten (»The Freaks« mit Kommando-Vocals irgendwo zwischen Green Velvet und DJ Rush, dessen eigener Beitrag vergleichsweise zahm ausfällt), auch DJ Milton (der auf dem Vorgänger noch fehlte) mit dem ausgesucht nervigen »HouseOMatics«. Footwork-Vorbote auch das Sample-Geballer von Wax Master Maurice. Zwischen Deeons technoider Beineverknotung »1112« und dem klassisch jazzigen Ausklang von Houz’ Mons »The Groove« öffnet sich allerdings ein durchaus breiteres Feld. DJ Funk kreuzt seine GangstaRap-Anleihen (»Bitches«) mit Basslauf im Cabaret Voltaire-Stil, Parris Mitchell wiederum greift auf den Hit der Liaisons Dangereuses zurück (die auch grade wiederaufgelegt wurden). Einen Blick zurück nach 1989 wiederum bietet Steve Poindexters »Computer Madness«, den blippigen Nachtfrost von Beltrams »Joey’s Riot« vorwegnehmend. Auch Tyree, Darien und der unvermeidliche Paul Johnson sind mit von der Partie. Kurz: erneut nicht unbedingt die größten Überraschungen, aber der echte Stoff. Das Rezept aus dreckigen Vocal-Sample-Loops, furztrockenem Drummachine-Funk und Synth-Riffs als Luxusbeigaben bezieht seine drängende Energie aus geradliniger Roheit. Genau die knallt stellenweise heute eigentlich noch besser als damals.
Dance Mania: Ghetto Madness